Unzulässigkeit einer Feststellungsklage
wegen beeinträchtigender Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers - OLG
Schleswig - 04.06.2002 - 3 U 167/01
Aus den Gründen: ....Die
Feststellungsklage ist unzulässig. Gemäß § 256 ZPO kann auf
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses
Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran
hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald richterlich festgestellt wird. Das
festzustellende Rechtsverhältnis muss grundsätzlich ein gegenwärtiges
sein. Eine Klage auf Feststellung von Rechtsfolgen aus einem künftigen (möglicherweise)
entstehenden Rechtsverhältnis ist dagegen unzulässig. Der Kläger hat
als künftiger Erbe einer noch lebenden Person zunächst die
Feststellung eines Auflassungsanspruchs wegen einer angeblich beeinträchtigenden
Schenkung gegen einen Beschenkten verfolgt und begehrt nach Verkauf des
Grundstücks nunmehr die Feststellung eines Zahlungsanspruchs in konkreter
Höhe (2/3 des Kaufpreises) von der Beschenkten. Das ist vor
dem Tode des Erblassers mangels
eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO
nicht möglich.
1. Die Frage, ob Rechte
aus § 2287 Abs. 1 BGB vor
dem Tode des Erblassers im Wege einer Feststellungsklage geltend gemacht
werden können, ist allerdings umstritten.
Die Befürworter berufen
sich sämtlich ohne eigene Begründung auf eine Entscheidung des OLG
Koblenz vom 14. Juli 1987 (MDR 1987, 935; so z. B. Zöller-Greger, 23.
Aufl., § 256 Rn. 3 a; Palandt-Edenhofer, 60. Aufl., § 2287 Rn.
17). Das OLG Koblenz argumentiert dahin, dass der Vertragserbe, sobald ihm
das Erbrecht grundsätzlich nicht mehr entzogen werden kann, ein
einer Anwartschaft gleichkommendes Recht auf den Anspruch aus § 2287
BGB habe und leitet das
Feststellungsinteresse daraus ab, dass der Vertragserbe schon jetzt wissen
können müsse, ob und in welcher Höhe ihm nennenswerte Beträge im Falle
des Ablebens des Erblassers zustehen, damit er sich wirtschaftlich darauf
einrichten könne. Das ist mit der herrschenden Meinung aus mehreren Gründen
abzulehnen.
Der Wortlaut
des § 2287 BGB ist eindeutig. Danach kann der Vertragserbe, nachdem
ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des
Geschenkes verlangen. Vor dem Erbfall besteht der Anspruch nicht, auch
nicht als bedingter.
Es ist heute in
Rechtsprechung und Literatur unstreitig, dass der erbvertraglich Bedachte
nur eine bloße Hoffnung, aber kein rechtlich gesichertes
Anwartschaftsrecht auf den Erwerb der Vermögensmasse des Erblassers bzw.
des Vermächtnisgegenstandes besitzt. Durch eine Verfügung von Todes
wegen wird, auch wenn sie vertragsmäßig getroffen wird, niemals ein
Anspruch gegen den Erblasser begründet. Rechte
der Bedachten entstehen erst mit dem Eintritt des Erbfalles. Bis dahin
besteht lediglich eine tatsächliche Aussicht.
Der Erbvertrag führt nur zu einer erbvertraglichen Bindung des
Erblassers, die darin besteht, dass der Erblasser keine anderweitige mit
dem Erbvertrag in Widerspruch stehende letztwillige Verfügung treffen
kann. An lebzeitigen Verfügungen
ist der Erblasser durch den Erbvertrag nicht gehindert (§ 2286 BGB).
Die Einschränkungen der
§ 2287, 2288 BGB genügen nicht, dem durch den Erbvertrag Bedachten
vor dem Erbfall schon ein Anwartschaftsrecht zu gewähren (BGHZ 12, 115,
118/119/122; Staudinger-Kanzleiter, BGB, 13. Aufl., § 2286 Rn. 6; Müko-Musielak,
BGB, 3. Aufl., § 2286 Rn. 3).
Schon dies schließt
gegenwärtig die Feststellung eines Anspruchs nach § 2287 BGB aus,
weil der vom Erbrecht abgeleitete Bereicherungsanspruch dem Vertragserben
keine gesicherte Position verschaffen kann als das Erbrecht selbst. Mit
der herrschenden Meinung ist schon deshalb mangels eines gegenwärtigen
Rechtsverhältnisses die Feststellungsklage
als unzulässig anzusehen (Müko-Musielak,
3. Aufl., § 2287 Rn. 20, § 2286 Rn. 6; Erman-M. Schmidt, 10.
Aufl. § 2287 Rn. 6; Staudinger-Kanzleiter, 13. Aufl., § 2287
Rn. 1 8/1 9; 2286 Rn. 6).
2. Es steht derzeit noch
nicht fest, dass der Kläger gegen den Beklagten künftig einen Anspruch
aus § 2287 BGB hat. Diese Unsicherheit verbietet es, gegenwärtig
bereits mit Rechtskraftwirkung des Urteils einen Zahlungsanspruch des Klägers
in Höhe von 2/3 des erzielten Kaufpreises festzustellen.
Der geltend gemachte künftige
Anspruch des Klägers steht in vielfacher Hinsicht auf schwankendem Boden.
a. Gegenwärtig lässt
sich noch nicht feststellen, ob dem Kläger, wie es § 2287 BGB
voraussetzt, die Erbschaft jemals anfallen wird. So kann der überlebende
Ehegatte, der sich in einem Erbvertrag hinsichtlich letztwilliger Verfügungen
gebunden hat, bei bestimmten schwerwiegenden Verfehlungen des Bedachten,
die den Erblasser zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen (§ 2333
BGB), von einer vertragsmäßigen Verfügung zurücktreten (§ 2294
BGB).
Es ist auch denkbar,
dass die Erbschaft ausgeschlagen wird, beispielsweise wegen Überschuldung
des Nachlasses. Schlägt der Vertragserbe die Erbschaft aus, so gilt der
Anfall an ihn als nicht erfolgt (§ 1953 BGB); in diesem Fall gilt
auch der Anspruch nach § 2287 BGB als nicht entstanden (Staudinger/Kanzleiter,
a.a.O., § 2287 Rn. 17).
b. Unsicherheiten in der
Entwicklung der Lebensverhältnisse bis zum Tod der Erblasserin bestehen
auch in Bezug auf den Schenkungsgegenstand und eine noch andauernde
Bereicherung der Beklagten im Erbfall. Auch wenn die Mutter der Parteien
gute Rentenansprüche hat, lässt sich gegenwärtig überhaupt noch nicht
beurteilen, ob sie infolge ihrer Pflegebedürftigkeit, die unabsehbar noch
weiter zunehmen kann und auch einen solchen Grad erreichen kann, dass eine
Pflege nur in einer professionellen Pflegeeinrichtung mit geschultem
Personal wahrgenommen werden kann, dauerhaft in der Lage sein wird, von
ihren laufenden Einkünften ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Je
nach Entwicklung der Lebensverhältnisse kann daraus ein Rückforderungsanspruch
der Mutter der Parteien wegen Notbedarfs gegen die Beklagte gem. § 528
BGB erwachsen.
Der Mutter der Parteien
bleibt es auch unbenommen, die Schenkung gem. § 530 BGB zu
widerrufen, wenn sich die Beklagte durch eine schwere Verfehlung gegen
ihre Mutter oder einen nahen Angehörigen der Mutter groben Undankes
schuldig machen würde. Würde die Beklagte aus diesem Grund das Geschenk
noch an die Mutter heraus geben, kann einem künftigen Erben kein Anspruch
aus § 2287 BGB erwachsen.
c. Selbst wenn der Kläger
nach Anfall der Erbschaft einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenks gem.
§ 2287 BGB hätte, ließe sich gegenwärtig der konkrete
Anspruchsinhalt nicht bestimmen. Inhalt und Umfang des Anspruchs werden
durch die Rechtsfolgeverweisung des § 2287 BGB auf die Vorschriften
über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung geregelt.
Insbesondere gilt § 818 Abs. 2 BGB. Einen gegenständlichen Anspruch
auf das Geschenk verleiht § 2287 BGB demnach nur, wenn es noch im
Vermögen des Beschenkten vorhanden ist. Anderenfalls kommt nur Wertersatz
in Betracht.
Etwas anderes ergibt
sich nicht daraus, dass in § 3 des Erbvertrages bestimmt ist, dass
der Kläger einen Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück zu 2/3
erhalten soll. Diese Anordnung kann Wirkungen nur entfalten, soweit das
Grundstück S sich im Erbfall im Nachlass befindet. Das dem Kläger
zugewendete Vorausvermächtnis ist unwirksam, soweit der Gegenstand zur
Zeit des Erbfalls nicht zur Erbschaft gehört (§ 2169 BGB). Ein
etwaiger Herausgabeanspruch nach § 2287 BGB im Erbfall beurteilt
sich deshalb nach dem Bereicherungsrecht.
Es ist zu Lebzeiten des
Erblassers noch nicht voraussehbar, ob sich ein etwaiger Anspruch nach
§ 2287 BGB zum Zeitpunkt des Erbfalls auf gegenständliche
Herausgabe des Geschenks durch dingliche Übertragung des Eigentums oder
nur auf Wertersatz richtet. Der Prozessverlauf verdeutlicht dies
anschaulich. Das bei Klageerhebung noch im Eigentum der Beklagten stehende
Grundstück ist im Laufe des Berufungsverfahrens verkauft worden. Wäre
das landgerichtliche Urteil, durch das festgestellt worden ist, dass die
Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger nach dem Tode der Mutter einen
Miteigentumsanteil von 2/3 des Grundstücks aufzulassen und einer
Eintragung des Klägers in das Grundbuch zuzustimmen, in Rechtskraft
erwachsen, stände diese Verpflichtung zwischen den Parteien bindend fest
und würde dem Kläger bei einer auf das Feststellungsurteil gestützten
Leistungsklage einen Schadensersatzanspruch eröffnen, obgleich das
Grundstück im Erbfall gar nicht mehr im Vermögen der Beklagten vorhanden
wäre, und die Beklagte richtigerweise deshalb nach § 2287 BGB nur
auf Wertersatz haftet.
An der
Nichtbestimmbarkeit des konkreten Anspruchsinhalts im Erbfall hat sich
durch den inzwischen erfolgten Verkauf nichts geändert. Zum einen ist der
Kaufvertrag vom 10. April 2002 noch gar nicht vollzogen und noch offen, ob
er letztlich vollzogen wird. Daraus ergibt sich, dass bei Schluss der mündlichen
Verhandlung des Senats nach wie vor unsicher geblieben ist, ob ein
etwaiger Bereicherungsanspruch im Erbfall auf originäre Herausgabe des
Geschenks durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch oder auf Wertersatz
in Höhe des anteiligen Kaufpreises gerichtet ist, was es ausschließt,
die konkret beantragte Feststellung auf Verpflichtung zur Zahlung von 2/3
des Kaufpreises auszuurteilen.
Selbst wenn der
Kaufvertrag dinglich vollzogen werden würde, ist heute noch nicht
voraussehbar, ob der Kläger im Erbfall einen Wertersatzanspruch auf
Herausgabe des Kauferlöses hätte oder ob der Anspruch der Höhe nach gemäß
§ 818 Abs. 3 BGB wegen Wegfalls der Bereicherung vermindert oder gänzlich
ausgeschlossen sein wird. Richtig ist zwar, dass die Beklagte bei Kenntnis
von einer beeinträchtigenden Schenkung nach § 819 BGB verschärft
wegen Bösgläubigkeit haften würde. Dies schließt indes nicht aus, dass
sie sich auf unverschuldete Verluste berufen könnte, beispielsweise auf
zur Abwendung eines Rückforderungsanspruchs der Mutter wegen Notbedarfs
geleistete Unterhaltsbeträge (§ 528 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies wäre
ihr indes durch ein Feststellungsurteil mit dem nunmehr beantragten
Inhalt, festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger genau 2/3 des
Kaufpreises zu zahlen hat, abgeschnitten. Ist im Feststellungsurteil eine
unbegrenzte Haftung des Beklagten ausgesprochen, kann im nachfolgenden
Leistungsprozess infolge der Rechtskraftwirkung der Einwand begrenzter
Haftung nicht mehr geltend gemacht werden.
Die gegenwärtig völlig
unvorhersehbare Entwicklung der Lebensverhältnisse schließt es aus,
einen aus dem Erbrecht nach einer noch lebenden Person abgeleiteten
denkbaren künftigen Herausgabeanspruch wegen einer beeinträchtigenden
Schenkung in einem konkret definierten Herausgabeumfang mit
Rechtskraftwirkung festzustellen.
3. Der Gesetzgeber lässt
den Anspruch aus § 2287 BGB
bewusst erst mit dem Anfall der Erbschaft entstehen,
also in jedem Fall nach dem Tode des Erblassers, und verweigert jedem
Vertrag über das Erbe eines noch lebenden Dritten grundsätzlich die
Anerkennung (§ 312 Abs. 1 BGB). Der Rechtsgedanke des § 312
Abs. 1 BGB steht der Anerkennung und Durchsetzung einer Feststellungsklage
aus § 2287 BGB zu Lebzeiten des Erblassers gleichfalls entgegen. In
Rechtsprechung und Literatur wird mit Recht darauf hingewiesen, dass ein
strenger Maßstab an die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach
§ 256 Abs. 1 ZPO angelegt werden muss, um ein allgemein als anstößig
empfundenes, die Würde des Erblassers verletzendes Gezerre und Gefeilsche
um sein Hab und Gut schon vor seinem Tode möglichst zu vermeiden (vgl. z.
B. OLG München NJW-RR 1996, 328).
Staudinger-Kanzleiter (a.a.O,
§ 2287 Rn. 18) und Lange (NJW 1963, 1571, 1574) weisen zutreffend
darauf hin, dass einer Feststellungsklage aus § 2287 BGB die Zulässigkeit
schon deshalb zu versagen ist, weil gewährleistet bleiben muss, dass der
Erblasser zu seinen Lebzeiten nicht - auch nicht als Zeuge - in einen
Rechtsstreit über seine Beerbung hineingezogen werden darf. Wie bereits
ausgeführt, wird der Erblasser durch einen Erbvertrag nur gebunden, keine
mit dem Erbvertrag in Widerspruch stehenden letztwillige Verfügungen zu
treffen, ist indes nicht beschränkt, über sein Vermögen durch
Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verfügen, § 2286 BGB. Er kann mit
seinem Vermögen zu Lebzeiten grundsätzlich schalten und walten wie er
will und muss dem Vertragserben dazu nicht Rede und Antwort stehen. Dieser
ist lediglich nach dem Anfall der Erbschaft unter bestimmten
Voraussetzungen auf die Ansprüche aus §§ 2287, 2288 BGB beschränkt.
Es wäre unerträglich und mit dem Freiheitsschutz des Erblassers an Verfügungen
unter Lebenden unvereinbar, dass dieser im Rechtsstreit sich den Vorwürfen
des Vertragserben wegen einer angeblichen Beeinträchtigungsabsicht
ausgesetzt sehe, seine Rechtsgeschäfte und Motivationen dazu vor den
Prozessbeteiligten und dem Gericht ausbreiten und sein etwaiges
lebzeitiges Eigeninteresse an Schenkungen rechtfertigen müsste und sich
über all das "zu Tode ärgern" muss. Dabei ist ohne Belang,
dass sich der Kläger im Berufungsverfahren, anders als im ersten
Rechtszug, nicht mehr auf das Zeugnis seiner Mutter berufen hat. Er könnte
jederzeit anderen Sinnes werden und kann im übrigen auch der
Prozessgegnerin nicht abschneiden, sich ihrerseits für ihre
Tatsachenbehauptungen auf die Mutter als Zeugin zu berufen. Die Gefahr,
dass die künftige Erblasserin zu ihren Lebzeiten in einen Prozess über
das Gezerre um ihren Nachlass hineingezogen wird, wäre unvermeidbar.
Der begehrte Feststellungsausspruch könnte
mittelbar Einfluss auf die Dispositionen der Mutter der Parteien haben,
wofür der Erbvertrag zu ihren Lebzeiten nichts hergibt.
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