Exkurs
Beispiel einer
typischen Argumentation im Fall der Urheberrechtsverletzung unter Berufung
auf die GEMA
Vgl. OLG München 29 U
3282/00 7 O 3625/98 LG München I (Auszüge)
Der geltend gemachte
Schadensersatzanspruch
der Klägerin ergibt sich aus § 97 Abs. 1, § 85 Abs. 1 S. 1,2, § 75
Abs. 2, § 78 UrhG.
Die von der Klägerin unstreitig hergestellten, als Anlage A 15 auf
Disketten vorgelegten Instrumentalversionen der Stücke Get down, Samba de
Janeiro und Freedom sind Tonträger im Sinne von § 85 Abs. 1, § 16 Abs.
2 UrhG. Nach dieser Bestimmung sind Tonträger Übertragungen von Werken
auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Tonfolgen, gleichviel,
ob es sich um die Aufnahme einer Wiedergabe des Werkes auf einen Tonträger
oder um die Übertragung des Werkes von einem Tonträger auf einen anderen
handelt. Dass es sich bei den vorstehenden Werken - Get down, Samba de
Janeiro und Freedom - um Werke der Musik im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2
handelt, kann nicht zweifelhaft sein und wird von der Beklagten auch nicht
in Zweifel gezogen; insoweit liegen jedenfalls der "kleinen Münze
des Urheberrechts" zuzurechnende musikalische Werke vor. MIDI-Files
sind, insbesondere wenn sie auf einer Diskette gespeichert sind, Vervielfältigungen
der erwähnten Werke auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von
Tonfolgen. Dass die in den MIDI-Files, gespeicherten Daten beliebig oft
unverändert abgespielt, wiederholt wiedergegeben werden können, ist
unstreitig; dass diese Daten mittels geeigneter Vorrichtungen zur
elektronischen Datenverarbeitung auch geändert werden können, ist für
die Beurteilung ohne Bedeutung. Die Auffassung der Beklagten, MIDI-Files
seien keine Tonträger im Sinne von § 16 Abs. 2 UrhG (Berufungsbegründung,
Seite 38/39; Schriftsatz vom 11.12.2000, Seite 20/21) ist für den Senat
nicht nachvollziehbar. Unklar ist, was die Beklagte unter
"Audiodaten" bzw. "festgehaltenen Tönen"
(Berufungsbegründung, Seite 39 oben) versteht. Die Beklagte scheint zu übersehen,
dass auch herkömmliche Schallplatten, Tonbänder oder CD's entgegen einer
weit verbreiteten, auch die gesetzliche Terminologie in § 16 Abs. 2 UrhG
("Tonträger", "Aufnahme", "Wiedergabe von
Tonfolgen") beeinflussenden Illusion nicht Töne
"festhalten" und "wiedergeben", sondern nur
mechanisch-analoge, elektromagnetisch-analoge oder digitalisierte Befehle
zur Erzeugung von Tönen durch die Abspielanlage enthalten. Der Hörer
einer Schallplatte hört nicht das "festgehaltene" Spiel des Künstlers,
sondern nur das dem Spiel des Künstlers mehr oder weniger ähnliche, in
Ausführung der erwähnten "Befehle" von einem Lautsprecher
erzeugte Geräusch. Der vom Sachverständigen Kiefer (Gutachten, S. 14)
herangezogene Vergleich mit einem Lochstreifen für ein Welte-Klavier
verdeutlicht die Verwandtschaft der Tonträger in dieser Hinsicht. Die
Aufnahmetechnik ist für das Vorliegen eines Tonträgers ohne Bedeutung (Loewenheim
in Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., § 17, Rdnr. 26 und insbesondere
27). Dass MIDI-Files beliebig oft abgespielt werden können, ist Grundlage
ihrer unstreitigen wirtschaftlichen Verwertbarkeit; dass sie auf
unterschiedlichen Anlagen unterschiedlich klingen, trifft auf
Schallplatten, Tonträger und CD's genauso zu. Diese Auffassung wird durch
die Ausführungen des Sachverständigen Kiefer in seinem Gutachten
(Seite14/15) bestätigt.
Herstellerin der Tonträger ist gemäß § 85 Abs. 1 S. 2 UrhG die Klägerin.
Denn der Zeuge Kist hat die Tonträger, wie noch zu erörtern sein wird,
im Betrieb der Klägerin und insbesondere unter Einsatz der Studiotechnik
der Klägerin hergestellt.
Die von der Klägerin hergestellten Tonträger enthalten Aufnahmen der
Darbietung des Zeugen Kist als eines ausübenden Künstlers Im Sinne von
§ § 73, 75 Abs. 1 UrhG. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann nicht
zweifelhaft sein, dass der Zeuge Kist als ausübender Künstler im Sinne
von § 73 UrhG die Werke Get down, Samba de Janeiro und Freedom - ob nach
Noten oder ohne Noten nach Anhören der Originalwerke, ist für die
Entscheidung ohne Bedeutung - auf einem Keyboard in ihren einzelnen
Stimmen und deren Kombination vorgetragen und dabei unmittelbar digital
aufgezeichnet hat. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Kiefer
(S. 15 bis 17) überzeugend ergibt, können MIDI-Files der hier unstreitig
vorliegenden hohen Qualität nur durch den Vortrag des betreffenden Werks
durch einen geschulten Musiker entstehen. Die Aussage des Zeugen Kist, er
habe - auf der Grundlage eines abgeschlossenen Studiums als Musiklehrer -
mittels der modernsten Studio- Technik der Klägerin die streitgegenständlichen
MIDI-Files selbst eingespielt, läßt keinen Zweifel daran, dass der Zeuge
die Werke im Sinne von § 73 UrhG als Grundlage der Aufzeichnung
"vorgetragen" hat.
Gemäß § 75 Abs. 2 UrhG hatte der Zeuge Kist hinsichtlich der von ihm
eingespielten Tonträger das ausschließliche Recht, diese Tonträger zu
vervielfältigen und zu verbreiten. Dieses Recht war gemäß § 78 S. 1
UrhG abtretbar. Diese Abtretung ist durch die von der Klägerin
vorgelegten gleichlautenden Verträge vom 1.5.9.1995,20.7.1996 und
20.6.1997 (Anl. A 13) erfolgt. Der Senat kann die Bedenken der Beklagten
hinsichtlich der Wirkungen der Verträge nicht teilen. Welche Aufnahme
jeweils gemeint ist, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Titel und der bei
Vertragsschluss übergebenen und übereigneten Diskette. Dass der Vertrag
nicht präzise von der Terminologie des Urheberrechtsgesetzes Gebrauch
macht und von der Abtretung des Vervielfältigungsrechtes spricht, steht
seiner Auslegung dahin nicht entgegen. Nach den Verträgen sollte die Klägerin
"insbesondere berechtigt (sein), den MIDI-File auf allen derzeitigen
bekannten Formaten zu vervielfältigen in Datenbanksysteme und/oder
Online-Systeme (z.B. Internet) einzuspeisen und das MIDI-File körperlich
oder unkörperlich (z.B. über das Internet) entgeltlich oder
unentgeltlich zu verbreiten". Dieses Recht wird in den Verträgen
ausdrücklich als "ausschließlich" bezeichnet. Die von der
Beklagten vorgetragenen Einwände gegen den Vertragsinhalt sind
offensichtlich unbegründet. Die Klägerin hat durch die Verträge das
ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Zeugen Kist an den Tonträgern
erworben.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann auch nicht davon ausgegangen
werden, dass die erörterten Rechte
aus § 85 Abs. 1 S. 1, § 75 Abs. 2 UrhG bei der GEMA
oder der GVL lägen. Unstreitig ist die Klägerin nicht Mitglied der GEMA
bzw. der GVL (was plausibel ist, da sie die an ihren MIDI-Files
entstehenden Rechte durch Verkauf von Vervielfältigungsstücken selbst
verwertet). Kist ist ebenfalls unstreitig nicht GEMA-Mitglied. Dass er mit
Wirkung vom 1.1 .1999 Mitglied der GVL ist, spielt für die Entscheidung
des Rechtsstreits keine Rolle, da auch die Rückwirkung des Vertrages an
der Übertragung von ausschließlichen Nutzungsrechten an den streitigen
MIDI-Files auf die Klägerin nichts ändert (dies gilt gemäß § 33 UrhG
sogar für einfache Nutzungsrechte).
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GEMA-Vermutung
Vgl. auch BGH zu
"Music Gala Andrew Lloyd Webber" I ZR 117/97 - verkündet am 14.
Oktober 1999 zur GEMA-Vermutung.
Aus
der Entscheidung: Die Beklagte veranstaltet seit 1993 mit einem
Tournee-Theater in der Bundesrepublik Deutschland Aufführungen mit Musik
und Texten aus Musicals des Komponisten Webber. Im Rahmen einer
"Andrew-Lloyd-Webber-Musical-Gala" führte die Beklagte am 5.
Dezember 1994 in Hamburg Stücke aus dem von Webber als Komponisten und
Tim Rice als Textdichter geschaffenen Werk "Joseph and the amazing
technicolor dreamcoat" (im folgenden: "Joseph") ganz oder
in Ausschnitten auf. Ein Videomitschnitt dieser Aufführung ist von der Klägerin
als Anlage K 3 vorgelegt worden; nach Abschluß des Berufungsverfahrens
ist diese Anlage zurückgegeben worden.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass Aufführungen dieser Art die
urheberrechtlichen Nutzungsrechte an "Joseph", die sie von
Webber und Rice erworben habe, verletzten. Die Beklagte habe
"Joseph" am 5. Dezember 1994 in Hamburg und zuvor am 2. Dezember
1994 in Kiel in einer Kurzfassung von etwa 15 Minuten Dauer, in die sie
elf Stücke aus "Joseph" ganz oder in Teilen aufgenommen habe, bühnenmäßig
aufgeführt. Dem Zuschauer werde bei dieser Fassung der Eindruck einer
vollständigen, in sich abgeschlossenen Geschichte vermittelt; es fehle
nur das Ende mit der Versöhnung von Joseph und seinen Brüdern.
Die Klägerin hat beantragt, der
Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verbieten, das Musical
"Joseph and the amazing technicolor dreamcoat" des Komponisten
Sir Andrew Lloyd Webber bühnenmäßig aufzuführen, indem der gedankliche
Inhalt des Werkes oder größerer Teile daraus durch bewegtes Spiel für
Auge und Ohr des Publikums als eine sich gegenwärtig vollziehende
Handlung vermittelt wird, wie aus der Anlage K 3 ersichtlich;
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin
Auskunft zu erteilen, wann und wo sie in der Bundesrepublik Deutschland
das unter Ziffer 1 genannte Musical bühnenmäßig zur Aufführung
gebracht hat;
darüber Rechnung zu legen, welche Bruttoeinnahmen bei denjenigen
Veranstaltungen erzielt worden sind, in deren Rahmen das in dem Antrag zu
Ziffer 1 genannte Musical bühnenmäßig aufgeführt worden ist;
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen
Schaden zu ersetzen, der ihr aus den unter Ziffer 1 genannten Handlungen
entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagte hat demgegenüber die Ansicht vertreten, die Aufführung von
Teilen aus "Joseph" im Rahmen der Musical-Gala habe zunächst zwölf
Minuten gedauert, seit Mai 1995 jedoch nur noch rund sieben Minuten. Es
handele sich um eine konzertante Darbietung, bei der die Aufführung der
Einzelstücke mit Hilfe der Choreographie des Regisseurs D. R. ausgeschmückt
werde. Für die Veranstaltungen seien jeweils Aufführungsrechte von der
GEMA erworben worden.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG Hamburg ZUM
1996, 980). Die Berufung der Beklagten ist zurückgewiesen worden (OLG
Hamburg ZUM-RD 1998, 11).
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt
die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
Entgegen der Ansicht der Revision ist die Verurteilung der Beklagten zur
Unterlassung hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 313 Abs. 1 Nr.
4 ZPO).
Der Urteilsausspruch ist inhaltlich schon deshalb bestimmt, weil er mit
der Bezugnahme auf die Videoaufzeichnung einer bestimmten Aufführung
(Anlage K 3) die Handlung, die zukünftig unterlassen werden soll, d.h.
die Wiederholung der Aufführung in der aufgezeichneten Art und Weise,
konkret angibt. Für die inhaltliche Bestimmtheit des Urteilsausspruchs
ist es dabei unschädlich, dass dieser mit dem abstrakt formulierten - an
sich überflüssigen - Hinweis, aus welchen Gründen die auf dem
Videomitschnitt aufgezeichnete Aufführung als bühnenmäßig anzusehen
sei, auch Elemente der Begründung enthält.
Der Urteilsausspruch ist auch nicht deshalb als unbestimmt anzusehen, weil
die als Anlage K 3 vorgelegte Videoaufzeichnung, auf die er Bezug nimmt,
weder mit der Urschrift des landgerichtlichen Urteils noch mit der des
Berufungsurteils fest verbunden worden ist.
Das Erfordernis der Bestimmtheit des Urteilsausspruchs soll allerdings
umfassend der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der
Entscheidungswirkungen dienen. Dazu muss nicht nur sichergestellt werden, dass
der Urteilsausspruch bei Erlass des Urteils inhaltlich bestimmt ist; es muss
auch gewährleistet sein, dass der Urteilsinhalt äußerlich in einer Art
und Weise festgelegt wird, dass er auch danach bestimmbar bleibt, da
andernfalls nach Rechtskraft der Entscheidung und insbesondere bei der
Zwangsvollstreckung Unsicherheiten entstehen können. Aus diesem Grund muss
der Urteilsausspruch in aller Regel aus sich heraus oder gegebenenfalls im
Zusammenhang mit seiner Begründung bestimmbar sein, was zur Folge hat, dass
der Urteilsinhalt grundsätzlich in einer einheitlichen Urkunde
festzulegen ist. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. In besonders
gelagerten Fällen können bei der Bemessung der Anforderungen, die zur
Sicherung der Bestimmtheit des Urteilsausspruchs aufzustellen sind, die
Erfordernisse der Gewährung eines wirksamen Rechtsschutzes oder der
Vermeidung eines unangemessenen Aufwands mit abzuwägen sein. Dies gilt
insbesondere bei Entscheidungen, durch die eine Verurteilung zur
Unterlassung ausgesprochen wird, weil der Gegenstand, auf den sich eine
Verurteilung zur Unterlassung bezieht, häufig nicht mit Worten
umschrieben werden kann. In diesen Fällen hilft zwar in aller Regel die
Aufnahme einer Abbildung des betreffenden Gegenstandes in das Urteil. Dies ist jedoch nicht immer ausreichend, um den
Entscheidungsgegenstand genau festzulegen, etwa dann nicht, wenn es auf
nicht abbildbare oder mit Worten beschreibbare Eigenschaften des
Gegenstands ankommt (vgl. dazu auch - zum Unterlassungsurteil bei
Geruchsimmissionen - BGH, Urt. v. 30.10.1998 - V ZR 64/98, NJW 1999, 356
f., zum Abdruck in BGHZ vorgesehen). In anderen Fällen kann der
Gegenstand, auf den sich der Unterlassungsausspruch bezieht, nach Art und
Umfang nicht in das Urteil aufgenommen werden, wie dies z.B. bei
Unterlassungstiteln, die sich auf Kino- und Fernsehfilme oder auf Software
beziehen, der Fall ist. Es ist deshalb in der Rechtsprechung anerkannt, dass
in Sonderfällen in der gerichtlichen Entscheidung auch auf Anlagen, die
zu den Akten gegeben worden sind, verwiesen werden kann.
Die Bestimmtheit der gerichtlichen Entscheidung ist in diesen Fällen
nicht davon abhängig, dass die Anlage mit der Urschrift der Entscheidung
körperlich verbunden wird. In vielen Fällen wäre dies eine reine Förmelei,
z.B. dann, wenn sich eine Unterlassungsverurteilung auf ein in hoher
Auflage erschienenes Buch bezieht. So ist es seit jeher gerichtliche Übung,
bei der Verurteilung zur Unterlassung der Vervielfältigung und
Verbreitung erschienener Bücher zumindest dann lediglich den Titel
anzugeben, wenn die Entscheidung nicht vom Inhalt des Werkes abhängt. In diesen Fällen
werden vielfach nicht einmal Werkexemplare zu den Akten gereicht. Anders
ist die Sachlage allerdings, wenn die in Bezug genommene Anlage in der
Entscheidung nicht mit der erforderlichen Sicherheit bereits durch einen
Werktitel oder - etwa bei DIN-Normen - durch eine sonstige Bezeichnung
zweifelsfrei und beständig bezeichnet werden kann, sondern wenn - wie
dies auch hier der Fall ist - gerade der Inhalt der konkret im Verfahren
vorgelegten Anlage dafür maßgeblich ist, welche Wirkungen die
Entscheidung hat. Es mag in diesen Fällen zweckmäßig sein, in der
Entscheidung nicht nur inhaltlich auf die Anlage mit deren genauer
Bezeichnung Bezug zu nehmen, sondern sie auch körperlich mit der
Urschrift der Entscheidung zu verbinden. Aus Gründen der Rechtssicherheit
und der Rechtsklarheit ist dies aber zumindest bei Entscheidungen in
Hauptsacheverfahren, die aufgrund streitiger Verhandlung ergehen, nicht
zwingend erforderlich (vgl. dazu auch BGHZ 94, 276, 291 -
Inkasso-Programm; OLG Frankfurt am Main NJW-RR 1996, 750). Die betreffende
Anlage ist in diesen Fällen den Prozeßparteien bekannt und als
Aktenbestandteil festgelegt. So war es im übrigen auch im vorliegenden
Fall: Die in Bezug genommene Videokassette ist ausweislich des Protokolls
der mündlichen Verhandlung vom 3. April 1997, nachdem sie das
Berufungsgericht in Augenschein genommen hatte, ausdrücklich als die im
Tenor des landgerichtlichen Urteils bezeichnete Anlage festgestellt und
gekennzeichnet worden. Bei der Vollstreckung von Unterlassungstiteln kann
auf in Bezug genommene, zu den Akten gereichte Anlagen in aller Regel ohne
weiteres zurückgegriffen werden. Dies gilt um so mehr, als bei
Unterlassungstiteln das erkennende Gericht selbst Vollstreckungsgericht
ist (§ 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Gefahr des Verlustes der Anlage oder -
wie im vorliegenden Fall - ihrer vorzeitigen Rückgabe an die Partei, die
sie vorgelegt hat, ist allerdings nicht zu übersehen. Diese Gefahr
rechtfertigt es aber nicht, bereits dem Unterlassungsausspruch als solchem
die Bestimmtheit abzusprechen. Verwirklicht sich diese Gefahr, wird der
Titel dadurch auch nicht unbestimmt; es gilt insoweit nichts anderes als
in den Fällen, in denen die Urteilsurkunde ganz oder teilweise zerstört
wird oder verloren geht. Gegebenenfalls kann der Titelinhalt auf Klage hin
festgestellt werden (vgl. BGHZ 4, 314, 321 f.; BGH, Urt. v. 3.6.1997 - XI
ZR 133/96, NJW 1997, 2320, 2321; Stein/Jonas/Schumann aaO § 256 Rdn. 35,
81).
Im vorliegenden Fall steht zudem der Inhalt des Urteilsausspruchs - selbst
nach der Rückgabe der darin genannten Videokassette (Anlage K 3) an die
Klägerin - bereits dadurch fest, dass sich Inhalt und Charakter der auf
der Videokassette aufgezeichneten Aufführung aus den Feststellungen in
den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (und des darin in
Bezug genommenen landgerichtlichen Urteils) mit hinreichender Bestimmtheit
ergeben.
Das Berufungsgericht hat auch zu Recht entschieden, dass die Klägerin
nach § 97 Abs. 1 i.V. mit § 19 Abs. 2 UrhG von der Beklagten
Unterlassung der Aufführung von Musik und Texten aus "Joseph"
verlangen kann, wenn diese bühnenmäßig ist, wie bei der Aufführung vom
5. Dezember 1994 in Hamburg, die auf dem Videomitschnitt festgehalten ist.
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei
angenommen, dass die Klägerin zur Geltendmachung der
Nutzungsrechte an der bühnenmäßigen Aufführung von "Joseph"
berechtigt ist.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin von den
Urheberberechtigten die weltweiten Nutzungsrechte an dem Werk erworben
hat. Ob dies auch für die Rechte gilt, die der GEMA nach deren
Berechtigungsvertrag von Komponisten und Textdichtern eingeräumt werden,
hat das Berufungsgericht ungeprüft gelassen, weil der
Berechtigungsvertrag Rechte an einer bühnenmäßigen Aufführung der
streitgegenständlichen Art nicht erfasse. Das Berufungsgericht hat dazu
ausgeführt, die Bestimmung des § 1 Buchst. a des Berechtigungsvertrages
der GEMA schließe das Recht der bühnenmäßigen Aufführung allgemein,
nicht nur bei Bühnenwerken, von der Rechtseinräumung aus. Dies ergebe
sich daraus, dass diese Bestimmung an § 19 Abs. 2 UrhG anknüpfe, der das
Recht zur bühnenmäßigen Aufführung auch für Werke gewähre, die nicht
für die Bühne geschaffen worden seien.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Aktivlegitimation
der Klägerin schon deshalb nicht an einem Vorerwerb der GEMA
scheitert, weil die streitgegenständlichen
Rechte von einem etwa geschlossenen Berechtigungsvertrag nicht erfasst
wären, greift die Revision im Ergebnis ohne Erfolg an. Die an sich
vorrangige Frage, ob der GEMA überhaupt Nutzungsrechte an
"Joseph" zur Wahrnehmung eingeräumt worden sind, kann danach
auch im Revisionsverfahren offen bleiben.
Gemäß § 1 Buchst. a des Berechtigungsvertrages
der GEMA (in der Fassung vom 30.6./1.7.1981, abgedruckt bei
Schulze, Urhebervertragsrecht, 3. Aufl. 1982, S. 646, die wortgleich ist
mit der Fassung vom 9./10.7.1996, abgedruckt in GEMA-Jahrbuch 1998/99, S.
181, von der die Parteien gemeinsam ausgehen) überträgt der Berechtigte
der Verwertungsgesellschaft, "die Aufführungsrechte an Werken der
Tonkunst mit oder ohne Text, jedoch unter Ausschluss der bühnenmäßigen
Aufführung dramatisch-musikalischer Werke, sei es vollständig, als
Querschnitt oder in größeren Teilen.
Bühnenmusiken, soweit sie nicht integrierender Bestandteil des Bühnenwerkes
sind, Bühnenschauen, Filmbegleitmusik, Einlagen in Revuen, Einlagen in
Operetten, Possen und Lustspielen, melodramatische und Kabarettaufführungen
sind Gegenstand dieses Vertrages, soweit es sich nicht um die Aufführung
von Bestandteilen dramatisch-musikalischer Werke in anderen Bühnenwerken
handelt."
Nach dieser Bestimmung, die der Senat auch als Revisionsgericht selbst
auslegen kann (vgl. BGH, Urt. v. 18.3.1960 - I ZR 121/58, GRUR 1960, 604,
606 - Eisrevue I - zu § 1 Buchst. a des Berechtigungsvertrages der GEMA
in einer früheren Fassung; Urt. v. 25.2.1966 - Ib ZR 30/64, GRUR 1966,
567, 569 - GELU), gilt der Ausschluss der Rechtseinräumung hinsichtlich
der bühnenmäßigen Aufführung nicht nur für Werke, die als Bühnenwerke
für die bühnenmäßige Aufführung bestimmt sind, sondern für alle
Werke, die ihrer Art nach als "dramatisch-musikalische Werke"
bezeichnet werden können. Für die weitergehende Auffassung des
Berufungsgerichts, nach der die GEMA gemäß § 1 Buchst. a des
Berechtigungsvertrages überhaupt keine Rechte an bühnenmäßigen Aufführungen
erwirbt, fehlt allerdings eine hinreichende Begründung. Anders als das
Berufungsgericht offenbar gemeint hat, lässt der Umstand, dass das Recht
der bühnenmäßigen Aufführung nach § 19 Abs. 2 UrhG für alle Werke
gewährt wird, unabhängig davon, zu welchem Zweck sie geschaffen worden
sind, keinen Schluss darauf zu, in welcher Weise über dieses Recht im
Berechtigungsvertrag der GEMA verfügt wird. Die Ansicht, der Ausschluss
der Rechtseinräumung in § 1 Buchst. a des Berechtigungsvertrages gelte für
das Recht der bühnenmäßigen Aufführung in vollem Umfang, steht
vielmehr weder mit dem Wortlaut dieser Bestimmung noch mit ihrem Sinn und
Zweck in Einklang.
Für die Auslegung des Umfangs einer Rechtseinräumung ist auch bei
Wahrnehmungsverträgen mit Verwertungsgesellschaften der Zweckübertragungsgedanke
maßgeblich.
Dem Berechtigungsvertrag liegt maßgeblich der
Zweck zugrunde, der GEMA als Verwertungsgesellschaft zur kollektiven
Wahrnehmung Rechte einzuräumen, deren individuelle Wahrnehmung dem
einzelnen Urheberberechtigten nicht möglich ist, während Rechte, die der
Urheberberechtigte individuell verwerten kann, diesem verbleiben sollen (vgl.
Kreile/Becker in Moser/Scheuermann (Hrsg.), Handbuch der Musikwirtschaft,
4. Aufl., S. 663, 664). Eine individuelle Wahrnehmung des Rechts der bühnenmäßigen
Aufführung, das herkömmlich meist in der Hand von Bühnenverlagen liegt
(vgl. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rdn. 1068), bietet sich -
unabhängig von der ursprünglichen Bestimmung für die bühnenmäßige
Aufführung - bei allen Werken an, die in der Weise
"dramatisch-musikalischer" Art sind, dass sie als solche
"in Szene" gesetzt werden können. Dies ist insbesondere dann
der Fall, wenn schon im Ablauf der Wiedergabe des Werkes ein
geschlossenes, dramatisch angelegtes Geschehen vermittelt wird.
Eine individuelle Rechtswahrnehmung ist jedoch nicht in allen Fällen der
bühnenmäßigen Aufführung von Werken sinnvoll. Gerade Musikwerke können
in Bühnenaufführungen in verschiedenster Weise so integriert werden, dass
sie bei diesen Aufführungen auch selbst als bühnenmäßig aufgeführt
anzusehen sind, ohne selbst als dramatisch-musikalische Werke angelegt zu
sein (z.B. die Wiedergabe eines Schlagers in einer Art und Weise, in der
er integrierender Bestandteil einer Bühnenaufführung ist). Eine
individuelle Rechtswahrnehmung ist den Urheberberechtigten in solchen Fällen
aber kaum möglich. Es entspricht daher nicht dem Sinn und Zweck der
Rechtseinräumung in § 1 Buchst. a des Berechtigungsvertrages, dieser
Bestimmung auch einen Vorbehalt hinsichtlich der Einräumung von Rechten
an solchen Werknutzungen zu entnehmen.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Begriff der bühnenmäßigen
Aufführung in § 1 Buchst. a des Berechtigungsvertrages der GEMA
denselben Inhalt hat wie der in § 19 Abs. 2 UrhG bei der Definition des
Aufführungsrechts verwendete Begriff der bühnenmäßigen Darstellung.
Danach liegt eine bühnenmäßige Aufführung jedenfalls in allen Fällen
vor, in denen das Werk durch ein für das Auge oder für Auge und Ohr
bestimmtes bewegtes Spiel im Raum dargeboten wird (vgl. - zu § 11 Abs. 2
LUG - BGH, Urt. v. 18.3.1960 - I ZR 75/58, GRUR 1960, 606, 608 - Eisrevue
II; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 248; vgl. weiter
Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 19 Rdn. 3; Schricker/v.
Ungern-Sternberg aaO § 19 Rdn. 18 ff.). Entgegen der Ansicht der Revision
ist es dabei unerheblich, ob das dargebotene Werk gemeinfreies schöpferisches
Gut - wie hier die im Alten Testament erzählte Geschichte von Joseph und
seinen Brüdern - bearbeitet hat. Der Begriff der bühnenmäßigen Aufführung
kennzeichnet eine bestimmte Art und Weise der Darbietung. Es kann zwar in
Fällen, in denen bei einer Aufführung verschiedene selbständige Werke
dargeboten werden, gegebenenfalls zu prüfen sein, ob auch die einzelnen
Werkbeiträge derart integrierender Bestandteil des Spielgeschehens sind, dass
auch sie als bühnenmäßig aufgeführt anzusehen sind. Diese Frage stellt sich aber
nicht, wenn ein Werk aufgeführt wird, das als solches auf verschiedenen
schöpferischen Beiträgen beruht, z.B. weil es - wie hier - eine
gemeinfreie Geschichte gestaltet hat.
Ausweislich der Feststellungen des Landgerichts, auf die das
Berufungsgericht Bezug genommen hat, ist "Joseph" seinem
Charakter nach ein dramatisch-musikalisches Werk im Sinne des § 1 Buchst.
a des Berechtigungsvertrages. Webber (als Komponist) und Rice (als
Textdichter) haben "Joseph" - im Rechtssinn eine Werkverbindung
im Sinne des § 9 UrhG - zwar zunächst in einer kürzeren
Ursprungsversion (sog. "Abridged Edition") für eine Schulaufführung
geschaffen, die möglicherweise nicht bühnenmäßig, sondern nur
konzertant war. Spätere erweiterte Fassungen (u.a. die so genannte "Complete
Version") waren aber auch für Bühnenproduktionen bestimmt.
Entscheidend für die Beurteilung, dass "Joseph" in den
vorgelegten Fassungen ein dramatisch-musikalisches Werk im Sinne des
Berechtigungsvertrages der GEMA darstellt, ist jedoch nicht, ob
"Joseph" als Werk für die Bühne bestimmt war, sondern dass
Webber und Rice mit den Liedern und Texten darin die im Alten Testament
(1. Buch Mose) erzählte Geschichte von Joseph und seinen Brüdern in
einer für die Umsetzung auf die Bühne geeigneten Art und Weise gestaltet
haben. Dem steht nicht entgegen, dass in den vorgelegten Fassungen
Hinweise zu szenischen Handlungsabläufen fehlen.
Die der Klägerin danach zustehenden Rechte an der bühnenmäßigen Aufführung
von "Joseph" sind von der Beklagten verletzt worden. Eine Aufführung
von Teilen und Ausschnitten aus "Joseph", wie sie am 5. Dezember
1994 in Hamburg stattgefunden hat, ist nach den vom Berufungsgericht
anhand des Videomitschnitts (Anlage K 3) getroffenen Feststellungen eine bühnenmäßige
Aufführung im Sinne des § 1 Buchst. a des Berechtigungsvertrages.
a) Das Landgericht, das die Aufführung der "Musical-Gala" am 5.
Dezember 1994 im selbständigen Beweisverfahren gesehen hat und dem zudem
der Videomitschnitt dieser Aufführung (Anlage K 3) zur Verfügung stand,
hat zum Inhalt sowie der Art und Weise dieser Aufführung Feststellungen
getroffen, die sich das Berufungsgericht, das den Videomitschnitt in
Augenschein genommen hat, durch Bezugnahme zu eigen gemacht hat. Die
streitgegenständliche Aufführung hat danach zwar nur eine gekürzte
Fassung von "Joseph" wiedergegeben, die aber deutlich dessen
wesentlichen Handlungsablauf erkennen ließ. Wie das Berufungsgericht ergänzend
ausgeführt hat, wurde dabei der gedankliche Inhalt des Werkes oder seiner
Bestandteile durch bewegtes Spiel für Auge und Ohr des Publikums als eine
gegenwärtig sich vollziehende Handlung vermittelt.
Im einzelnen haben die Vorinstanzen zur Aufführung der Beklagten
folgendes festgestellt: Nach einem allgemeinen Vorspruch über den
Menschen und seine Träume werden Jacob und seine Söhne mit dem Lied
"Jacob and Sons" (in gekürzter Fassung) vorgestellt. Jacob
zeigt seine besondere Liebe zu Joseph, indem er ihm einen Mantel schenkt
(Lied "Joseph's Coat" in gekürzter Fassung). Dies ärgert seine
Brüder; besonders erbost sind diese aber über die Träume, die ihnen
Joseph erzählt (Lied "Joseph's Dreams" mit nur einer von elf
Strophen sowie dem von Webber und Rice an das Ende ihres Werkes gesetzten
Lied "Any Dream will do"). Sie planen deshalb ein Verbrechen an
Joseph und führen es durch: Joseph wird überfallen, sein Mantel
zerrissen und er selbst als Sklave nach Ägypten verkauft ("Poor Poor
Joseph" in gekürzter Fassung). Der Pharao wird von Alpträumen
geplagt ("Pharaoh Story" und "Poor Poor Pharaoh" in
gekürzter Fassung). Joseph deutet die Träume und wird vom Pharao zum
zweiten Mann im Staat erhoben ("Stone The Crows" in gekürzter
Fassung). Als Abschluss werden zwei Lieder gebracht ("Give Me My
Coloured Coat" und "Go Go Joseph"), die jedoch die Handlung
nicht mehr weiterführen.
Die tatrichterlichen Feststellungen bestätigend lässt sich auch der von
der Beklagten selbst vorgelegten Übersicht über den Inhalt des
Videomitschnitts (Anlage B 5) entnehmen, dass die Handlung von den
mitwirkenden Künstlern in szenischer Darstellung (unter Benutzung
entsprechender Requisiten) verkörpert wird.
b) Ob ein dramatisch-musikalisches Werk - sei es vollständig oder in
Teilen - "bühnenmäßig" aufgeführt wird, ist weitgehend eine
Frage tatsächlicher Würdigung. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung
unterliegt hier nur, ob die mit dem Landgericht übereinstimmende
Beurteilung des Berufungsgerichts auf einem rechtsfehlerhaften Verständnis
des Begriffs der bühnenmäßigen Aufführung beruht (vgl. BGH GRUR 1960,
604, 605 - Eisrevue I).
Diese revisionsrechtliche Prüfung ist dem Senat bereits aufgrund der
getroffenen Feststellungen möglich, obwohl die Videokassette (Anlage K 3)
mit dem Mitschnitt der streitgegenständlichen Aufführung vom 5. Dezember
1994 dem Senat - anders als den Vorinstanzen - nicht vorliegt und im
Revisionsverfahren keine Feststellungen dazu getroffen werden können, ob
eine der von der Klägerin dem Senat vorgelegten Videokassetten mit der im
Berufungsurteil in Bezug genommenen Anlage K 3 identisch oder
inhaltsgleich ist. Der Senat ist als Revisionsgericht ohnehin an die
tatrichterlich getroffenen Feststellungen als solche gebunden. Der
Umstand, dass ihm selbst die Grundlagen dieser Feststellungen - wie hier
der dem Berufungsgericht noch vorliegende Videomitschnitt - nicht (mehr)
zugänglich sind, ändert daran nichts (vgl. dazu auch den Fall
"Eisrevue I", in dem die tatrichterlichen Feststellungen allein
auf einer Einnahme des Augenscheins beruhten, BGH GRUR 1960, 604, 605).
Aus den getroffenen Feststellungen, die von der Revision als solche nicht
angegriffen werden, ergibt sich ohne weiteres, dass die "Joseph"
in Teilen und Ausschnitten entnommenen Werke in der streitgegenständlichen
Vorstellung vom 5. Dezember 1994 bühnenmäßig aufgeführt worden sind.
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