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Vgl. differenzierend dazu der
BGH - Urteil vom 16.07. 2003 - VIII ZR 302/02 (hier in verkürzter
Darstellung):
Auch bei Geschäften im
Versandhandel übernimmt der Verkäufer grundsätzlich keine Bringschuld.
Handelt es sich um eine Gattungsschuld, beschränkt sich deshalb mit der
Übergabe an die Transportperson die Schuld des Verkäufers im Sinne von
§ 243
Abs. 2 BGB auf die übergebene Sache.
Geht die verkaufte Sache auf dem
Versandweg verloren, so wird der Verkäufer gemäß § 275 Abs. 1 BGB a. F. von seiner Verpflichtung zur Leistung frei.
Tatbestand: Am 6. Juni 2001
bestellte der Kläger bei der Beklagten, die in M. unter anderem einen
Versandhandel mit elektronischen Geräten betreibt, per E-mail einen
Camcorder DV Panasonic NV-DS 38 EG zum Preis von 1.999 DM. Der Kaufpreis
wurde von der eingeschalteten Kreditbank bezahlt. Am 28. Juni 2001 übergab
die Beklagte die ordnungsgemäß adressierte Sendung einem Paketdienst zum
Versand an den Kläger. Der Kläger behauptet, er habe die Kamera bis
jetzt nicht erhalten. Den im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten
vorgelegten Ablieferungsbeleg vom 29. Juni 2001 habe er nicht
unterschrieben; bei der Unterschrift ("M. U.") handele es sich
um eine Fälschung. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Verurteilung
der Beklagten zur Übergabe eines Camcorders des bezeichneten Typs und zur
Verschaffung des Eigentums an der Kamera. Die Beklagte macht geltend, mit
der Übergabe der Sendung an den Paketdienst habe sie, da eine
Schickschuld vorliege und § 447
BGB anzuwenden sei, das ihrerseits zur Erfüllung Erforderliche getan. Der
Kläger habe das Paket auch erhalten; die Unterschrift auf dem
Ablieferungsbeleg stamme von ihm. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen,
das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
sein Klageziel in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe: I. In seiner
den Anforderungen des § 540
ZPO gerade noch genügenden Entscheidung ist das Landgericht davon
ausgegangen, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Versendungskauf im
Sinne des § 447
BGB handele und die Beklagte deshalb mit der Übergabe des Camcorders an
den Paketdienst am 28. Juni 2001 ihren Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag
Genüge getan habe. Die Vorschrift des § 447
BGB sei auch für moderne Vertriebsformen anzuwenden, da der Gesetzgeber
trotz kritischer Stimmen im Schrifttum die Reform des Kaufrechts nicht zum
Anlass genommen habe, für diese Vertriebsformen etwas anderes zu regeln.
II. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung
im Ergebnis stand.1. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 543
Abs. 2 Ziff. 2 ZPO offensichtlich deshalb zugelassen, weil es eine Klärung
der Rechtsfrage für geboten gehalten hat, ob auch nach der Reform des
Kaufrechts die Bestimmung des § 447
BGB "für moderne Vertriebsformen gelten kann und soll". Diese
Frage bedarf jedoch für Fälle der vorliegenden Art keiner höchstrichterlichen
Klärung, da der Gesetzgeber sie durch die Einfügung des § 474
Abs. 2 BGB bereits beantwortet hat. Nach dieser Vorschrift ist die
Anwendung des § 447
BGB auf Verbrauchsgüterkaufverträge - zwingend (§ 475
Abs. 1 BGB) - ausgeschlossen. Dass eine Fallgestaltung, wie sie hier
gegeben ist, einen Verbrauchsgüterkauf darstellt, steht nach der
gesetzlichen Definition des § 474
Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. BGB außer Frage. Obwohl demnach die vom
Berufungsgericht formulierte Revisionszulassung ins Leere geht, ist das
Revisionsgericht hieran gebunden (§ 543
Abs. 2 Satz 2 ZPO).2. Die Begründung für die Zulassung der Revision lässt
erkennen, dass das Berufungsgericht das Kaufrecht bereits in seiner neuen,
am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Fassung anwenden wollte. Das ist
zwar rechtsfehlerhaft, weil im vorliegenden Fall die Bestimmungen noch in
ihrer bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung maßgeblich sind (Art.
229
§ 5 Satz 1 EGBGB). Da § 447
BGB aber unverändert geblieben ist und das Landgericht die neue Ausschlussvorschrift
des § 474
Abs. 2 BGB übersehen hat, bleibt der Rechtsirrtum auch insoweit ohne
Folgen, als es auf die Vorschrift - vorbehaltlich der nachfolgenden Ausführungen
- ankommt.
3. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen,
dass
die Beklagte auch dann, wenn der Kläger den Camcorder nicht erhalten hat
und dieser auf dem Versandweg auf ungeklärte Weise verschwunden sein
sollte, nicht gemäß § 433
Abs. 1 BGB zur Lieferung einer anderen Kamera des gleichen Typs
verpflichtet ist. a) Auf die Frage, ob nach der für den Versendungskauf
geltenden speziellen Bestimmung des § 447
Abs. 1 BGB die Gefahr auf den Kläger übergegangen war, kommt es insofern
allerdings nicht an. Die Lieferpflicht der Beklagten ist nämlich bei
einer nach der Übergabe an den Paketdienst eingetretenen Unauffindbarkeit
des übergebenen Camcorders bereits nach der allgemeinen Vorschrift des §
275 BGB a. F.
entfallen. Danach wird der Schuldner von der Verpflichtung zur Leistung
frei, soweit die Leistung infolge eines nach der Entstehung des Schuldverhältnisses
eintretenden Umstandes, den er nicht zu vertreten hat, unmöglich wird.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt; insbesondere ist nichts dafür
vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Beklagte bei der Auswahl des
mit der Versendung der Kamera beauftragten Paketdienstes ihre
Sorgfaltspflichten verletzt hat. Der Befreiung von der Leistungspflicht
steht des weiteren nicht entgegen, dass mit der Bestellung des Camcorders
eine Gattungsschuld vereinbart wurde (§ 279
BGB a. F.). Mit der Auswahl eines konkreten Gerätes und dessen Übergabe
an den Paketdienst durch die Beklagte beschränkte sich nach § 243
Abs. 2 BGB das Schuldverhältnis auf den übergebenen Camcorder. Die
Beklagte hat mit der Übergabe des Gerätes an die Spedition das im Sinne
dieser Vorschrift zur Bewirkung der geschuldeten Leistung ihrerseits
Erforderliche getan, wie sich auch aus § 447
Abs. 1 BGB ergibt; Leistungsort für die von der Beklagten zur Bewirkung
der Leistung vorzunehmenden Handlungen war ihr Geschäftssitz (§ 269
Abs. 1 und 3 BGB). b) Leistungsort für die dem Verkäufer obliegende
Verpflichtung zur Übergabe der Kaufsache an den Käufer und zur
Verschaffung des Eigentums an ihr (§ 433
Abs. 1 Satz 1 BGB a. F.) ist im Zweifel der (Wohn-) Sitz des Verkäufers;
allerdings gilt dies nur, wenn ein (anderer) Ort für die Leistung weder
von den Beteiligten bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der
Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen ist (§ 269
Abs. 1 BGB). Dass die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend einen
vom Sitz der Beklagten abweichenden Erfüllungsort für die Lieferung der
Kamera vereinbart haben, macht der Kläger nicht geltend und ist auch
sonst nicht zu erkennen. Aus den Umständen, etwa aus der Natur des
vorliegenden Kaufvertrages, ergibt sich gleichfalls nichts Derartiges. Dass
es im Versandhandel typischerweise Aufgabe des Verkäufers ist, die
Versendung der Kaufsache - auf eigene oder fremde Kosten - zu veranlassen,
begründet für sich allein nicht die Annahme, der Empfangsort solle auch
Leistungsort (Erfüllungsort) für die Lieferpflicht des Verkäufers sein
(arg. § 269
Abs. 3 BGB). Es bleibt daher bei der Vermutung des § 269
Abs. 1 BGB, wonach der Sitz der Beklagten Erfüllungsort für die ihr
obliegenden Verkäuferpflichten war .....c) Ob die Beklagte,
wie sie behauptet, ihren Kunden auch die Abholung der Ware in ihren
Filialgeschäften ermöglicht, kann dahinstehen (vgl. Senatsurteil vom ...).
Selbst wenn sie die Ware ausschließlich im Versandhandel vertreibt, ändert
dies nichts daran, dass in der Bestellung des Kunden zumindest die schlüssige
Erklärung enthalten ist, die Kaufsache solle ihm an seine Wohnanschrift
oder eine andere angegebene Versandadresse geliefert werden. d) Aus § 447
BGB ergibt sich nichts anderes. Diese Vorschrift weist das mit der
Versendung verbundene Risiko des zufälligen Untergangs oder der zufälligen
Beschädigung der Sache dem Käufer zu, wenn der Verkäufer die verkaufte
Sache auf Verlangen des Käufers an einen anderen Ort als den Erfüllungsort
versendet. In diesem Fall geht die Gegenleistungsgefahr auf den Käufer über,
sobald der Verkäufer die Sache der mit der Versendung beauftragten Person
übergibt (vgl. aber nach neuem Recht für den Verbrauchsgüterkauf § 474
Abs. 2 BGB). Der nach § 269
BGB zu bestimmende Leistungsort wird von der Regelung des § 447
Abs. 1 BGB nicht berührt.
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Praxistipp:
Sie haben, sagen wir mal, ein neue Smartphone gekauft. Nach
zwei Monaten stellen Sie fest, dass das Ding nur noch schlecht funktioniert. Sie tragen es
zum Händler zurück, reklamieren und verlangen ein neues Gerät an Stelle des alten. Man
antwortet Ihnen, ja, da müssen Sie es wohl kaputtgemacht haben durch nicht sachgemäße
Handhabung.
Im Streitfall hätten Sie früher beweisen müssen, dass der
Fehler nicht durch unsachgemäße Handhabung aufgetreten ist, sondern schon bei Kauf
vorhanden war und sich erst später ausgewirkt hat. Deshalb hatte man als Kunde früher da
eher schlechte Karten denn beweisen Sie so was mal! Diesen Schwarzen Peter hat nun seit dem 1.Januar
2002 der Verkäufer (Händler, Kaufhaus etc.): Denn seitdem unterstellt das Gesetz, dass der Fehler schon in
dem Moment vorhanden war, als der Verkäufer Ihnen die gekaufte Sache übergab.
Das
bedeutet, dass nunmehr der Verkäufer dem Käufer beweisen muss, dass der Fehler
nicht schon in diesem Zeitpunkt da war, sondern erst später, etwa durch ein Verhalten des
Käufers, verursacht wurde.
Allerdings gilt diese gesetzliche Unterstellung nur für die
ersten sechs Monate nach Übergabe der gekauften Sache, und sie gilt nie, wenn beide
Parteien Privatleute sind, sondern nur, wenn der Käufer ein Verbraucher und der
Verkäufer Unternehmer ist.
Ist das aber der Fall, und stellt sich in den ersten sechs
Monaten ein Fehler der Kaufsache heraus, dann brauchen Sie sich nicht mehr durch die
Bemerkung, Sie seien es wohl selber schuld, einschüchtern oder abwimmeln zu lassen:
Bestehen Sie auf Ihrem Standpunkt und weisen Sie den
Verkäufer darauf hin, dass er die Beweislast dafür trägt, dass der Fehler NICHT schon
bei Übergabe vorhanden war.
Oft sehen Sie sich dann mit dem nächsten Problem
konfrontiert:
Da wird einem dann gesagt, nein, das müssen wir erst an den
Hersteller einschicken, damit der entscheidet, ob sich eine Reparatur lohnt.
Auch darauf müssen Sie sich grundsätzlich NICHT einlassen:
Sie
haben nämlich nach dem Gesetz grundsätzlich die freie Wahl zwischen Nachbesserung
(Reparatur) oder Ersatzlieferung (Lieferung eines fehlerfreien neuen Gegenstands statt des
alten fehlerhaften).
Diese Rechte (und ggf. noch andere oder darüber
hinausgehende) haben Sie natürlich noch nach Ablauf der ersten sechs Monate, nämlich
zwei Jahre lang; nur liegt nach Ablauf der sechs Monate die Beweislast dafür, dass der
Fehler schon bei Übergabe vorhanden war, wieder bei Ihnen.
In Zweifelsfällen sollten Sie rechtzeitig anwaltlichen Rat
einholen.
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