Erst mit der Gründung des deutschen Reichs im Jahr 1870 konnte eine deutsche Staatsbürgerschaft überhaupt entstehen. Gemäß §§ 1, 27 StAG 1870 konnte die Reichsangehörigkeit am 01.01.1871 erworben werden. Gemäß §§ 13 Nr. 3, 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870 verloren Deutsche, die das Reichsgebiet
verließen und sich zehn Jahre lang ununterbrochen im Ausland aufhielten, ihre deutsche Staatsangehörigkeit. Diese Frist wurde gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 StAG 1870 von dem Zeitpunkt der Ausreise aus dem Reichsgebiet oder von dem Zeitpunkt des Ablaufs eines Reisepapiers oder Heimatscheins des Austretenden an
gerechnet.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 3 StAG 1870 wurde die Frist unterbrochen durch die Eintragung in die Matrikel eines Reichskonsulats. Der Lauf der Frist begann gemäß § 21 Abs. 1 Satz 4 StAG 1870 von Neuem mit dem auf die Löschung in der Matrikel folgenden Tage. Man kann heute nur dann
deutscher Staatsangehöriger sein, wenn die Vorfahren sich innerhalb der Frist in die Matrikel eines deutschen Reichskonsulats haben eintragen lassen. Wurde dies versäumt, dann ist die deutsche Staatsbürgerschaft seinerzeit mindestens weggefallen, wenn sie denn überhaupt bestanden hat.
Es muss im Fall eines Verfahrens zur Überzeugung der Behörde bzw. des Gerichts feststehen, dass der Vorfahre rechtzeitig die deutsche Staatsangehörigkeit erhaltende Maßnahmen im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 2 und 3 StAG 1870 getroffen hat. Die Antragsteller müssen also Nachweise dafür
liefern, dass die Eintragung in die Matrikel seinerzeit verfolgt ist. Wenn dieser Umstand nicht nachgewiesen, oder wenigstens glaubhaft gemacht werden kann, hat ein Verfahren auf Feststellung der Deutscheneigenschaft und auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises wenig Aussicht auf Erfolg. Die Abstammung von
einem Deutschen alleine genügt nicht, um als deutscher Staatsangehöriger zu gelten.
Allerdings ist der Rechtsprechung die Schwierigkeit bewusst, hier diese Voraussetzungen zu erfüllen. Die Tatsachengerichte können auch ohne urkundliche Nachweise aufgrund der im jeweiligen Einzelfall ermittelten Tatsachen zu dem Ergebnis gelangen, dass diese den Erwerb der deutschen
Staatsangehörigkeit ergeben. Insofern muss nicht notwendig ein voller Urkundenbeweis geführt werden, wenn detailliert und nachvollziehbar geschilderte Anhaltspunkte bestehen, dass die genannten Voraussetzungen vorliegen. Vorzutragen wären besondere Situationen, aus der heraus das Fehlen von Urkunden erklärlich
erscheint. Das können Härtefälle sein oder - wie die Rechtsprechung auch darlegt - Repressalien, die sich speziell auf Deutsche im Ausland bezogen haben. Gibt es also konkrete Umstände, die auch Teil der "oral history" der Familiengeschichte sein können, dass der Vorfahre ein besonderes Interesse daran
hatte, Deutscher zu bleiben? Hier wären Umstände darzulegen, dass die alte Staatsangehörigkeit wichtiger erschien, was sich unter anderem auch in kulturellen Zugehörigkeiten zeigen kann. Das würde plausibel durch die Sprache, die zuhause gesprochen wurde. Auch sonst kulturelle Manifestationen könnten
herangezogen werden, etwa die Kontinuierung deutscher Sitten und Gebräuche oder die Wahl deutscher Lektüren. Auch sonstige Lebensumstände werden herangezogen, die teilweise auch heute noch gut konkretisiert werden können. So sollte man prüfen, ob Matrikelregistereintragungen überhaupt existieren. Auch die
Entfernung des Wohnortes des Vorfahren zu dem Konsulat könnte weitere Anhaltspunkte bieten, ob also die Behördenpraxis bekannt war. Würden Tagebuchaufzeichnungen, Briefe, auch aus der Perspektive von Dritten existieren, wäre das besonders wertvoll, hier die damalige Lebenssituation des Vorfahren im Blick auf sein
Deutschtum zu konkretisieren. |