Der Bayerische
Verwaltungsgerichtshof bestätigt Haftung für Gästebücher im Netz
Nach den Urteilen der Landgerichte Trier und Düsseldorf wurde nun die
dritte Entscheidung zur Haftung für Gästebucheinträge bekannt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in
München (Urteil aus dem Jahre 2002, AZ: 7 CS 02.875) hatte darüber zu entscheiden, ob einem
Schüler der Schulverweis angedroht werden darf, wenn er im Gästebuch seiner Homepage
Drohungen gegen Lehrer und Mitschüler publiziert oder Verbalentgleisungen Dritter in
seinem Gästebuch stehen lässt.
Vorliegend handelte es sich um die Ankündigung, den
"ersehnten" Tod eines Mitschülers zum Anlass einer Feier des Abiturjahrgangs
machen zu wollen. Neben dieser bedrohlichen Ankündigung beließ der Schüler, der
zugleich Schulsprecher war, weitere Bemerkungen, demnach ein Mitschüler eine automatische
Waffe vom Typ M4A1 "am Laufen" habe ebenso im virtuellen Gästebuch wie die
zustimmende Feststellung: "He he, mit ner echten M4A1 würd' ich das Direktorium
platt machen. Die Stümper hättens mal verdient." Die Schulleitung drohte ihm nach
Entdeckung dieser und weiterer beanstandeter Passagen die sofortige Entlassung von der
Schule an, deren Rechtmäßigkeit erst das Verwaltungsgericht und nun auch der
Verwaltungsgerichtshof bestätigten. In einer früheren Entscheidung hatte der VGH
München bereits die Entlassung eines Schülers als gerechtfertigt angesehen, der auf
seiner Homepage Lehrer und Mitschüler beleidigt und bedroht hatte (AZ: 7 ZS 01.1428).
Nach Ansicht der Richter hatte der
Homepage-Betreiber
mit seinen eigenen und mit den von ihm geduldeten Einträgen im Gästebuch die
"Grenze des Scherzhaften bei weitem überschritten". Dass einzelne Beiträge mit
"dem grafischen Signet eines lachenden Gesichts", vulgo: "Smiley",
versehen waren, entlastete den Schüler so wenig wie die Tatsache, dass nicht alle
anstößigen Eintragungen aus seiner Feder stammten. Auch die spätere Entfernung der
Homepage aus dem Netz und eine Entschuldigung führten zu keiner anderen Bewertung. Die
Schule habe im Rahmen ihrer pädagogischen Erwägungen deutlich machen dürfen, dass sie
im Interesse aller Beteiligten bereits ersten Anzeichen "einer Verletzung der
Menschenwürde konsequent und glaubwürdig entgegentrete und auch generalpräventiv
wirke". Sicher dürften hier auch die Geschehnisse von Erfurt eine Rolle gespielt
haben.
Nicht weiter erörtert haben die Richter, ob und in welchem
Umfang es sich bei Einträgen in einem Gästebuch um "fremde Inhalte" handeln
könnte, die dann unter die erweiterten Haftungsprivilegierungen des
Teledienstgesetzes (TDG) fallen würden. Das
LG Trier hatte diese Problematik teilweise untersucht und nicht grundsätzlich immer eine
Haftung für Gästebucheinträge angenommen, sondern nur für solche Beiträge, die sich
der Betreiber einer Homepage "zueigen macht". Zueigenmachung soll dann
vorliegen, wenn der Gästebuchbesitzer (vermeintlich) rechtswidrige Beiträge stehen
lässt, obwohl er Kenntnis von ihnen hat. Zugleich erlegten die Trierer Richter einem
Homepage-Betreiber die Pflicht auf, sein Gästebuch wöchentlich zu kontrollieren, um sich
einen Überblick über die laufenden Einträge zu verschaffen.
Diese Auffassung ist umstritten, solange das Gesetz keine
ausdrückliche Regelung vorsieht.
Auf das durchschnittliche Gästebuch einer
"privaten Homepage" bezogen, mag diese Rechtssicht noch als sinnvoller Weg
erscheinen, der aber schnell an die Grenzen der Praktikabilität stoßen dürfte, wenn es
sich um eine stark frequentierte Seite oder gar um ein belebtes Diskussionsforum handelt,
bei dem es nahezu unmöglich ist, sämtliche Beiträge zu überprüfen. Zudem dürfte der
durchschnittliche Internet-User oftmals überfordert sein, Rechtswidriges von -
gerade noch - Zulässigem zu unterscheiden. In der Rechtsprechung ist grundsätzlich
anerkannt, dass mit scharfer Kritik rechnen und leben muss, wer öffentlich auftritt. Die
Grenze zwischen "sinnfälligen Schlagworten" - wie das Bundesverfassungsgericht es nannte
- und Beleidigungen beziehungsweise Schmähkritik sind oftmals fließend und auch für
Juristen eine oftmals diffuse Materie. Bleibt abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht
in Karlsruhe das Thema "Gästebücher" endgültig entscheidet.
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