Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
kann die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als
Gesamthandsgemeinschaft ihrer Gesellschafter im Rechtsverkehr grundsätzlich,
das heißt soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen,
jede Rechtsposition einnehmen (BGHZ 116, 86, 88; 136, 254, 257; im
Ansatz auch bereits BGHZ 79, 374, 378 f.). Soweit sie in diesem
Rahmen eigene Rechte und Pflichten begründet, ist sie (ohne
juristische Person zu sein) rechtsfähig (vgl. § 14 Abs. 2 BGB).
1. Über die Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts finden sich im Gesetz keine umfassenden und abschließenden
Regeln. Im ersten Entwurf des BGB war die Gesellschaft nach römischrechtlichem
Vorbild als ein ausschließlich schuldrechtliches Rechtsverhältnis
unter den Gesellschaftern ohne eigenes, von dem ihrer Gesellschafter
verschiedenen, Gesellschaftsvermögen gestaltet (vgl. Mot. II 591 =
Mugdan II 330). Die zweite Kommission konstituierte hingegen ein
Gesellschaftsvermögen als Gesamthandsvermögen (vgl. die heutigen
§§ 718, 719 BGB), ohne jedoch die aus dem Gesamthandsprinzip
folgenden Konsequenzen im einzelnen zu regeln. Es ist vielmehr im
wesentlichen bei der Regelung des Gesellschaftsverhältnisses als
Schuldverhältnis geblieben, dem in unvollständiger Weise das
Gesamthandsprinzip "darüber gestülpt" wurde (Flume,
Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Bd. I/1 1977, S. 3 f.;
vgl. auch Ulmer, FS Robert Fischer 1979, S. 785, 788 f.). Zum Inhalt
des Gesamthandsprinzips heißt es in den Protokollen lediglich, die
Meinungen darüber, wie die Rechtsgemeinschaft der gesammten Hand
theoretisch zu konstruiren sei und was man als das charakteristische
Merkmal derselben anzusehen habe, (gingen) auseinander" (Prot.
II 429 = Mugdan II 990)...
2. Die Unvollständigkeit der gesetzlichen
Regelung und das erkennbare Bestreben des historischen Gesetzgebers,
eine konkrete Festlegung zu vermeiden, lassen Raum für eine an den
praktischen Bedürfnissen der Verwirklichung des Gesamthandsprinzips
orientierte Beurteilung der Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts. Danach verdient die Auffassung von der nach außen
bestehenden beschränkten Rechtssubjektivität der bürgerlich-rechtlichen
Gesellschaft den Vorzug. Diese Auffassung geht auf die
deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts zurück
(vgl. Otto Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1 1895, S. 663 ff.,
682). Sie wurde maßgeblich von Flume (aaO S. 50 ff.; ZHR 136
[1972], 177 ff.) in die moderne Diskussion eingeführt und hat sich
im neueren Schrifttum weitgehend durchgesetzt...
a) Dieses Verständnis der Rechtsnatur der
gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsgemeinschaft bietet ein
praktikables und weitgehend widerspruchsfreies Modell für die vom
Gesetz (§§ 718–720 BGB) gewollte rechtliche Absonderung des
Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen der Gesellschafter. Die
sogenannte traditionelle Auffassung, die ausschließlich die
einzelnen Gesellschafter als Zuordnungssubjekte der die Gesellschaft
betreffenden Rechte und Pflichten ansieht (vgl. Zöllner, FS
Gernhuber 1993, S. 563 ff.; ders. FS Kraft 1998, S. 701 ff.; Hueck,
FS Zöllner 1998, S. 275 ff.) weist demgegenüber konzeptionelle
Schwächen auf. Betrachtet man die Gesellschaftsverbindlichkeiten
lediglich als gemeinschaftliche Verbindlichkeiten der Gesellschafter
gemäß § 427 BGB, widerspricht dies dem Gesamthandsprinzip. Der
einzelne Gesellschafter kann, wenn sich der geschuldete Gegenstand
im Gesellschaftsvermögen befindet, die Leistung wegen § 719 BGB
nicht als Gesamtschuldner allein erbringen. Dies führt dazu, dass
auch die Vertreter der traditionellen Auffassung zwischen der
Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterschuld differenzieren müssen.
Bei der für die "Gesellschaft" abgeschlossenen
Verbindlichkeit handele es sich um eine "einheitliche
Verpflichtung mit doppelter Wirkung" in Bezug auf einerseits
das Gesamthandsvermögen, andererseits das persönliche Vermögen
der Gesellschafter (vgl. Hueck, FS Zöllner, S. 293; Zöllner, FS
Gernhuber, S. 573). Dies verwischt aber die Grenzen zwischen Schuld
und Haftung, denn eine Schuld kann immer nur Subjekte, nicht aber
Vermögensmassen treffen (Aderhold, Das Schuldmodell der
BGB-Gesellschaft 1981, S. 110 f.; Dauner-Lieb aaO, S. 100 ff.).
b) Ein für die Praxis bedeutsamer Vorzug der nach
außen bestehenden Rechtssubjektivität der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts im oben beschriebenen Sinne besteht darin, dass danach ein
Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand der
mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat (vgl.
Senat, BGHZ 79, 374, 378 f.). Bei strikter Anwendung der
traditionellen Auffassung müssten Dauerschuldverhältnisse mit der
"Gesellschaft" bei jedem Wechsel im Mitgliederbestand von
den Vertragsparteien neu geschlossen bzw. bestätigt werden. Wenn
die Gesellschaft im Außenverhältnis nur ein Schuldverhältnis
darstellt, können zwei aus verschiedenen Mitgliedern bestehende
Schuldverhältnisse nicht identisch sein. Das Erfordernis von
Neuabschlüssen von Dauerschuldverhältnissen bei einem
Gesellschafterwechsel ist aber ohne innere Rechtfertigung und würde
die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft im Rechtsverkehr erheblich
beeinträchtigen. Die traditionelle Auffassung vermag im übrigen
keine befriedigende Erklärung dafür zu liefern, warum auch ein neu
in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter mit dem
Gesellschaftsvermögen für Altschulden haften sollte. Die dafür
angebotene Begründung, wonach der neue Gesellschafter in einer Art
Gesamtrechtsnachfolge "in alle bestehenden Rechts- und
Vertragspositionen hineinwachse" (Zöllner, FS Kraft, S. 715),
lässt sich mit der Auffassung der Gesellschaft als reines
Schuldverhältnis der Gesellschafter im Grunde nicht vereinbaren
(dazu auch Ulmer, AcP 198 [1998], 113, 142).
c) Die hier vertretene Auffassung ist zudem eher
in der Lage, identitätswahrende Umwandlungen von Gesellschaften bürgerlichen
Rechts in andere Rechtsformen und aus anderen Rechtsformen zu erklären.
Betreibt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Gewerbe, dann
wird sie von Gesetzes wegen ohne jeden Publizitätsakt zu einer
personen- und strukturgleichen OHG, sobald das Unternehmen nach Art
und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb
erfordert (§ 105 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 HGB). Da der OHG
jedenfalls Rechtssubjektivität im oben beschriebenen Sinne zukommt
(vgl. § 124 Abs. 1 HGB), würden sich bei konsequenter Anwendung
der traditionellen Auffassung die Eigentumsverhältnisse an den zum
Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen mit der Umwandlung
zur OHG ändern. Dies würde für die Praxis insbesondere deshalb
schwierige Probleme bereiten (vgl. Reiff, ZIP 1999, 517, 518 f.),
weil für den Übergang von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
zur OHG infolge des wertungsabhängigen Kriteriums des
Erfordernisses eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs ein genauer
Zeitpunkt der Umwandlung kaum ausgemacht werden kann. Auch der
Umstand, dass im neuen Umwandlungsrecht (§§ 190 ff., 226 ff. UmwG)
Kapitalgesellschaften im Wege des identitätswahrenden Formwechsels
in Personengesellschaften – auch in Gesellschaften bürgerlichen
Rechts, vgl. § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG – umgewandelt werden können,
lässt sich auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung ohne
weiteres, aus Sicht der traditionellen Auffassung aber – wenn überhaupt
– nur mit Mühe erklären.
d) Schließlich unterstützt die Tatsache, dass
der Gesetzgeber mittlerweile die Insolvenzfähigkeit der
Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt hat (§ 11 Abs. 2 Nr. 1
InsO wie auch schon § 1 Abs. 1 GesO), die Gesellschaft mithin als
Träger der Insolvenzmasse ansieht, ebenfalls die Annahme der
Rechtssubjektivität.
3. Gegen diese Auffassung läßt sich nicht mit
dem Gesetzeswortlaut insbesondere des § 714 BGB argumentieren. Zwar
zeigt der Umstand, dass dort nur von einer Vertretungsmacht für die
Gesellschafter, nicht aber für die "Gesellschaft" die
Rede ist, dass bei der Formulierung der Norm an eine Verselbständigung
der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer verpflichtungsfähigen
Organisation nicht gedacht worden ist (Senat, BGHZ 142, 315, 319
f.). Bedenkt man aber, dass die Vorschrift im Kern unverändert aus
§ 640 Abs. 1 des ersten Entwurfs (abgedruckt bei Mugdan II CVI) in
das BGB übernommen wurde und dieser erste Entwurf das
Gesamthandsprinzip noch nicht kannte, gibt der Wortlaut für eine
Deutung der Rechtsnatur der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft
nichts her. Der Senat braucht insoweit nicht der Frage nachzugehen,
ob bereits der historische Gesetzgeber in Ansehung der
deutschrechtlichen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts die Rechtsfähigkeit
der Gesellschaft als ungeschriebenes geltendes Recht angesehen hat
(dazu Wertenbruch aaO, S. 34 ff.). Entscheidend ist, dass er
jedenfalls eine solche Annahme nicht hat ausschließen wollen.
4. In der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der
Gesellschaft liegt kein Widerspruch zu den §§ 21, 22, 54 BGB, wo
mit Rechtsfähigkeit offensichtlich die Fähigkeit der Gesellschaft
gemeint ist, Träger von Rechten und Pflichten aufgrund eigener
Rechtspersönlichkeit und damit "als solcher" und nicht
als Gruppe ihrer gesamthänderisch verbundenen Mitglieder zu sein.
Wie § 14 Abs. 2 BGB zeigt, geht aber das Gesetz davon aus, dass es
auch Personengesellschaften gibt, die Rechtsfähigkeit besitzen. So
ist es praktisch unbestritten, dass OHG und KG Träger von Rechten
und Pflichten sein können und damit rechtsfähig sind, ohne als
Gesamthandsgemeinschaften den Status einer juristischen Person zu
besitzen. Entsprechendes gilt nach ständiger Rechtsprechung (BGHZ
80, 129, 132; 117, 323, 326) für die Vorgesellschaften von
Kapitalgesellschaften.
|