Als eine Ursache
für Gewaltkriminalität soll speziell der Einfluss von Gewaltdarstellungen in den
Massenmedien in den Blick genommen werden. Der Jugendliche heute verfügt über zahlreiche
Medien, auf die er mit Hilfe des Internets nahezu unbegrenzten Zugriff hat.
Konnte man
früher Filme, Videos oder Computerspiele zensieren oder verbieten, ist die Einflussnahme
auf die Verbreitung dieser Medien heute nur noch minimal. Was für den Handel verboten
wird, weil zu Befürchten steht, dass es bei jungen Menschen Schäden anrichten könnte,
besorgen sich die Kids ohne Probleme im Internet. Fast täglich schießen neue, immer
abstrusere Computer- und Videospiele wie Pilze aus dem Boden. Diese augenscheinlich
unbegrenzte Flut an Spielen, Filmen und ähnlichem, sowie die Zugriffsmöglichkeiten der
Jugendlichen auf diese Medien, macht eine Kontrolle schier unmöglich.
Filme und
Spiele werden dabei zunehmend brutaler, die Darstellung innerhalb der Video- und
Computerspiele immer realistischer. Während das Videospiel Mortal Combat in
den frühen 90er-Jahren eher comicmäßig und mit merkwürdig aussehenden grell bunten
Figuren daherkam, die der Spieler von außen betrachtete und steuerte, können die neueren
Spiele mit mehr Realismus aufwarten: Bereits mit dem Killerspiel Doom änderte
sich die Qualität der Spiele dahingehend, dass die Grafiken realistischer wurden, die
Szenerien brutaler. Die modernen Ego-Shooter-Spiele, bei denen der Spieler über den Lauf
seiner Waffe blickt, mit der er tötet, haben nicht nur die Perspektive des Spielers
geändert und diesen gänzlich zum Alleinherrscher einer virtuellen Welt gemacht, die
menschlichen Personen, die hier virtuell und en gros getötet werden, sehen auch wie
menschliche Personen aus.
Dennoch wird
nicht jeder Jugendliche, der sich mit diesen Medien beschäftigt, automatisch aggressiv
und damit zum potenziellen Gewalttäter. Es kommt auf mehrere Faktoren an, wobei ein nicht
unwesentlicher Faktor ist, wie der Einzelne auf diese Darstellungen reagiert.
Schon seit
Jahren wird kontrovers diskutiert, wie die Flut von Gewalt in den Massenmedien
insbesondere auf junge Menschen wirkt.
Hierzu werden
verschiedene Konzepte vertreten:
Nach einer
Theorie führt das Ansehen von Gewaltdarstellung und die virtuelle Ausübung von Gewalt
mittels Computer- oder Videospiele zu einer Aggressionsabfuhr. Aggressionen werden
abgebaut und müssen nicht mehr in das reale Leben getragen werden. Die so genannte Katharsishypothese konnte zwar bislang noch nicht
empirisch verifiziert werden; Gewaltdarstellungen in den Medien werden jedoch von vielen
Konsumenten als eine Art Ersatzbefriedigung empfunden.
Die Stimulationsthese ist durch Untersuchungen
tendenziell bestätigt worden und geht davon aus, dass Gewalt in den Medien das Erlernen
von gewalttätigen Handlungsmustern erleichtert.
Eine weitere
Theorie nimmt eine gewaltfördernde Wirkung von Gewaltdarstellungen in den Medien an. Ihr
Schwerpunkt liegt jedoch nicht im Erlernen aggressiver Verhaltensmuster, sondern bei der
Gewöhnung an Gewalt. Nach dieser Habitualisierungsthese
führt der ständige Konsum in den Massenmedien zu einer Abnahme der Sensibilität
gegenüber Gewalt, also zu einer Abstumpfung.
Auch diese
These ist mittlerweile durch Untersuchungen bestätigt worden.
Dennoch
bleibt die überwältigende Zahl der Millionen jugendlicher Computerspieler völlig
friedlich.
Denn
wie oben bereits erwähnt ist der Einfluss von Gewaltdarstellungen in den
Massenmedien nur eine Ursache für Gewaltkriminalität.
Die Beziehung
zwischen Gewalt in den Medien und Aggression, die im schlimmsten Fall in der
Gewaltkriminalität mündet, ist nicht monokausal. Gewaltdarstellungen sind nie die
einzige und auch nicht die Hauptursache für Gewaltkriminalität bei Jugendlichen.
Vielmehr
setzt ein durch Gewaltdarstellungen hervorgerufener aggressionsstimulierender Effekt beim
Einzelnen entsprechende psychische Defekte voraus. Diese Defekte beruhen ihrerseits auf
bestimmten Sozialisationsbedingungen wie der Familie, dem sonstigen Umfeld, Schulbildung
und weiteren Faktoren.
Was also kann
man tun?
Da man wohl
auch künftig mit diesen Medien leben muss, stellt sich die Frage, wie man mit ihnen
umgehen soll und wie man Jugendliche davor schützen kann, durch die Massenmedien als
wesentlicher Lieferant aggressiver Verhaltensmuster, selbst aggressiv zu
werden und gegenüber realer Gewalt gegen andere Menschen abzustumpfen.
Ein beliebter
Vorschlag der Erziehungswissenschaftler war stets, den Kindern und Jugendlichen die
Zeit mit den Medien sinnvoll einzuteilen. Ein bis zwei Stunden am Tag wurde
als Richtlinie für die Verweilzeit der jungen Menschen vor Fernseher oder Computer
propagiert.
Theoretisch
ist dieser Ansatz auch sinnvoll. Der Dauerkonsum von brutalen Gewaltvideos und
Killerspielen kann bei Jugendlichen zur Abstumpfung und zur Isolation führen. Wird dieser
Prozess nicht gestoppt, kann mit der Isolation auch ein Realitätsverlust einhergehen.
Praktisch
jedoch ist eine zeitliche Kontrolle kaum auszuüben. Die Jugendlichen treffen sich mit
Freunden (die meist über Computer, DVD, Playstation usw. verfügen können) und für alle
Fälle gibt es auch noch Internet-Cafés. Noch Anfang der 90er-Jahre hatte kaum ein
Jugendlicher Zugriff auf Computer, Videorekorder oder Spielkonsole, nur wenige Haushalte
hatten einen Internet-Anschluss. Bei den wenigen privilegierten Jugendlichen, die über
diese Möglichkeiten verfügen konnten, trafen sich dann deren Freunde. Filme und Spiele
waren ein gemeinsames Erlebnis mit kommunikativen Elementen.
Was Eltern
oder sonstige Erziehungsberechtigte heute tun können, ist, sich zunächst einmal zu informieren:
Auf
verschiedenen Seiten im Internet werden ausführliche Besprechungen der Filme und Spiele
angeboten, sowie die entsprechenden Altersempfehlungen angegeben. Hier kann man sich einen
ersten Überblick über das Angebot verschaffen.
Will
man den Jugendlichen einen sinnvollen Umgang mit den Medien näher bringen, sollte man
versuchen, sich in Gesprächen mit ihnen sachlich auseinander zu setzen. Verbote bringen
gar nichts, da eine Kontrolle kaum möglich ist. Will man ihnen einen
selbstverantwortlichen Umgang mit den Medien beibringen, sollte man diesen möglichst
unvoreingenommen gegenüber treten. Es gilt zunächst einmal herauszufinden, mit welchen
Spielen oder Filmen sich die Jugendlichen gerade beschäftigen, in welcher Art sie die
Medien konsumieren (alleine oder in der Gruppe) und wie sie selbst die jeweiligen Medien
sehen.
Es ist ein
großer Unterschied, ob das Kind oder der Jugendliche tagtäglich in seinem Zimmer sitzt
und sich über Stunden alleine mit einem Spiel beschäftigt, oder ob er gemeinsam mit
Freunden sog. Netzwerkspiele spielt, bei denen Teams gebildet werden, auch taktische
Fähigkeiten eine Rolle spielen und zwischen den Spielen Kommunikation zwischen den
einzelnen Spielern stattfindet.
Fragen Sie
Ihre Kinder, welches Spiel sie gerade spielen, was sie daran besonders gut finden und
warum. Schauen Sie sich Filme mit ihnen zusammen an; wenn es möglich ist, spielen Sie
ruhig mal ein Computerspiel mit den Jugendlichen gemeinsam. Durch offene Fragen während
und nach dem Medienkonsum kann versucht werden, Einstellungen und Wertigkeiten
herauszufinden und auch Veränderungen der Jugendlichen zu bemerken.
Warnzeichen,
die beachtet werden sollten, sind der Rückzug des Jugendlichen von der Familie und von
Freunden, Interessenlosigkeit gegenüber Mitmenschen oder früheren Freizeitaktivitäten,
Absinken der schulischen Leistungen und sonstige auffällige Veränderungen.
Der Dialog
mit anderen Eltern und Lehrer ist hierbei von größter Wichtigkeit.
Veränderungen
von Kindern und Jugendlichen in deren Einstellungen und Verhalten können nur registriert
und im nächsten Schritt möglicherweise aufgefangen werden, wenn alle sich verantwortlich
fühlen und verhaltensauffällige junge Menschen nicht sich selbst überlassen bleiben.
Abschließend
sei noch angemerkt, dass sozial integrierten, in einem intakten Umfeld aufwachsenden
Jugendlichen ausreichend gewaltfreie Handlungsmuster vermittelt werden und vermittelt
werden sollten. Diese positiven Vorbilder im familiären und gesellschaftlichen Umfeld
befähigen sie, Konflikte auch dann ohne Gewalt zu lösen, wenn sie gewalttätige
Konfliktlösungsmuster aus den Massenmedien kennen.
Top
|