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Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm - Bonn

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 Rechtsanwalt Bonn Dr. Palm

 

Aufsichtspflicht

Internat - Berufsschule -Nachtbetreuung

Nicht alle Fälle sind so einfach wie dieser, was die Nachwuchsbetreuung angeht. 

Wie verhält man sich als Aufsichtspflichtiger, wenn man größere Gruppen hat, die auch über Nacht in einem Ausbildungsinstitut bleiben? Wir haben diverse Ausbildungsinstitute beraten, wie die adäquate Betreuung bzw. Aufsicht auszusehen hat, um Haftungsrisiken zu minimieren. 

Grundsatz

Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann (So grundlegend der Bundesgerichtshof). Insbesondere hängt es von den Eigenheiten des Kindes und seinem Erziehungsstand ab, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder deren Beachtung auch überwacht werden muss.  

Das gilt sowohl dann, wenn es darum geht, die Schädigung Dritter durch den Jugendlichen zu verhindern, wie auch dann, wenn der Jugendliche vor den Folgen seines eigenen unvernünftigen Verhaltens geschützt werden soll. Die Gren-ze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen richtet sich danach, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen tun müssen, um Schädigungen des Minderjährigen oder Schädigungen Dritter durch den Minder-jährigen abzuwenden; es kommt darauf an, ob der Aufsichtspflichtige im konkreten Fall in Bezug auf die zur widerrechtlichen Schadenszufügung führenden Umstände eine ausreichende Aufsicht geführt hat (vgl. BGH a.a.O.; BGH NJW-RR 87, 1043; NJW 95, 3385; Senatsbeschluss vom 02.05.1991 - 6 W 7/91 - OLGZ 92, 95; OLG Hamm. - 9. ZS . - FamRZ 95, 167). Das bedeutet aber nicht nur, dass bestimmte Aufsichtsformen praktiziert werden, sondern selbstredend auch, dass die Einrichtung sicher sein muss. So hat der Bundesgerichtshof z.B entschieden: „ Wenn es nicht zu vermeiden und jedenfalls nicht ausschließlich ist, dass Kinder tagsüber zeitweise ohne Aufsicht gelassen werden, so muss der Inhaber des Kinderheimes den Verschluss der Fenster so gestalten, dass er von Kindern nicht unbefugt geöffnet werden kann.“ Das ist bei Jugendlichen nicht so zwingend, aber wenn hier die Möglichkeiten, Fenster zu öffnen, eingeschränkt werden, um Rauchen etc. zu verhindern, sollte das in Erwägung gezogen werden.

Was gilt für Betreuungen über Nacht?

Jugendliche dürfen nicht nachts auf sich allein gestellt sein. Eine ordnungsgemäße Betreuung macht es mindestens erforderlich, dass ein Betreuer die Nacht hindurch im Internat ist. Hierbei gibt es typische Gefahren. Die Gerichte fordern Kontrollen der Jugendlichen, insbesondere um alkoholischem Missbrauch vorzubeugen. Ein Alkoholverbot, das man selbstverständlich aussprechen sollte und das auch in die Hausordnung aufzunehmen ist, reicht für sich allein betrachtet, also nicht aus.  

Bei auswärtiger Unterbringung von Jugendgruppen müssen die Betreuer durch geeignete und wirksame Maßnahmen dafür sorgen, dass es nicht zu Exzessen bezüglich Alkohol oder anderen Problemmaterien kommt. In einer wichtigen Entscheidung des OLG Hamm (21.12.1995/Aktenzeichen: 6 U 78/95) hat das Gericht im Verlauf der Nacht gelegentliche Kontrollen auf den Zimmern für erforderlich erachtet, wobei das Gericht das von dem Umstand abhängig macht, dass noch nicht allgemeine Ru-e eingekehrt sei. Dem kann nach Auffassung des Gerichts nicht entgegengehalten werden, dass derartige Kontrollen nicht mit dem Ziel der Erziehung zur Selbständigkeit und mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und unangetastete Intimsphäre vereinbar seien. Wenn also keine Ruhe eingekehrt ist, sollten mindestens „gelegentliche“ Kontrollen stattfinden, was nicht zu parametrisieren ist, aber jedenfalls klar macht, dass die Erwartung, es gäbe keine Aufsichtsprobleme, weil der Betreuer nicht angesprochen wird, keinesfalls verantwortlich wäre. Derartige Kontrollen, die die Einhaltung der Hausordnung und die Sicherheit der Jugendlichen gewährleisten sollen, seien sowohl bei sportlichen Veranstaltungen- mit Gruppenunterbringung in Gemeinschaftsunterkünften wie auch bei damit vergleichbaren Klassenfahrten durchaus üblich und werden von den Jugendlichen als berechtigt angesehen und akzeptiert. Die Gerichte sehen zwar, dass nicht alle auf jugendtypischen Unverstand zurückzuführenden Schäden durch Kontrollen verhindert werden können, und dass es durchaus denkbar gewesen wäre, dass solche Schäden auch sich ereignet hätten, wenn die Bedingungen den gesetzlichen/richterlichen Maßgaben entsprechen.

Eine mehr oder minder entfernte Dienstwohnung des Betreuungsperson zu dem Ort des Aufenthalts der Jugendlichen kann nicht ausreichend sein, wenn die Verbindungswege unmittelbares Eingreifen oder jedenfalls schnelle Kontaktaufnahmen behindern. Klar sein muss auch, dass die Person ordnungsgemäß ausgewählt sein muss und nicht überarbeitet sein darf. Wenn etwa ein Hausmeister einen vollen Arbeitstag hinter sich hat und ihm gleichwohl zugemutet wird, am Abend für diverse Stunden mit einer entsprechenden Nachtpräsenz zur Verfügung zu stehen, dürfte das problematisch sein. Letztlich gilt hier immer die Kontrollüberlegung: Wie stellt sich bei der Verkettung einiger unglücklicher Umstände der Ernstfall dar? Hätte das bei gebotener Sorgfalt zumindest erahnt werden können, dass hier eine Gefahrenquelle besteht?  

Die Betreuer einer aus 40 Kindern im Alter zwischen 8 und 12 Jahren bestehenden Feriengruppe trifft nicht der Vorwurf der Aufsichtspflichtverletzung, wenn sie die Gruppe während eines Besuchs eines Freibades nicht in Kleingruppen unterteilen, die der ständigen feststehenden Betreuung durch zumindest einen Betreuer unterstehen. Dies ist bei der Altersstufe, der die Kinder der Feriengruppe angehören, nicht mehr erforderlich. Hier genügt es auch bei einem Schwimmbadbesuch, dass die Betreuer sich an Schwerpunkten aufhalten und freiwillige Gruppen von Kindern um sich scharen, denen sich jedes Kind nach Belieben anschließen kann, auch wenn es hierdurch ermöglicht wird, dass sich einzelne oder auch mehrere Kinder einer Überwachung und Kontrolle entziehen können, da für Kinder dieses Alters eine ständige Kontrolle nicht mehr erforderlich ist. Die Betreuer haften daher nicht aus dem Aspekt der Aufsichtspflichtverletzung, wenn eines der Kinder, denen die Anweisung erteilt war, sich nur im Nichtschwimmerbecken aufzuhalten, das insbesondere im Bereich einer Rutschbahn von den Betreuern beaufsichtigt wurde, nach einem Ertrinkungsunfall im Schwimmerteil des Beckens aufgefunden wird. Ob das allerdings jedes Gericht so gesehen hätte, bleibt fraglich. Wichtig ist nur, dass die gesamte Planung der Sicherheit einen plausiblen Charakter hat, sodass durchaus verschiedene Modelle denkbar sind.  

Abgesehen davon, dass ein Betreuer eine kompetente Person sein muss, ist die Frage, ob eine Verletzung der Aufsichtspflicht damit verbunden sein kann, wenn zu viele Jugendliche von zu wenigen Aufsichtspersonen betreut werden. Ein „Teilnehmer-Betreuer-Schlüssel“ im Sinne eines Rechtsautomatismus gibt es nicht. Entscheidend ist, dass ein Betreuer bei der Durchführung der Aufsicht nicht überfordert ist. Nachts ist selbstverständlich weniger Betreueraufwand zu erwarten als tagsüber. Wenn hier zwei potentielle „Einsatzorte“ gleichzeitig zu betreuen bzw. zu überwachen sind, stellt sich die Frage, wo sich die maßgebliche Person bzw. auch zwei Personen zur Wahrung der Aufsichtspflicht aufhalten. Gewährleistet sein muss, dass die Person gut angesprochen werden kann. Besteht von dem einen Flur zum anderen etwa die Möglichkeit eines Rufkontakts? Auch wenn das keine umfassende Freizeichnung von Aufsichtspflichten eröffnet, sollte unbedingt Sorge dafür getragen sein, dass Notrufmöglichkeiten so praktisch und leicht zugänglich zur Verfügung gestellt werden, dass Hilfe von außen einfach erreichbar ist. Hier kann auch situativ bedingtes Handeln eine große Rolle bei der Entscheidung spielen, ob die konkrete Betreuungsweise keine Verletzung der Aufsichtspflicht darstellt.    

Ggf. müssen auch geschlechtsspezifische Betrachtungen einbezogen werden: Fehlt bei einer Reise mit jungen Mädchen eine weibliche Begleitung, und dürfen Jugendliche im Alter von 14 Jahren bis 1:00 Uhr bzw. 3:00 Uhr ohne Aufsicht eines Erwachsenen ausgehen, so ist die Betreuung mangelhaft, wurde etwa vom Amtsgericht Bielefeld am 13.05.1998 (Aktenzeichen: 4 C 1288/97) entschieden. Das Thema ist ohnehin delikat und kann noch ausgeführt werden. Es gibt Autoren, die sogar die Verteilung von Verhütungsmitteln empfehlen, was natürlich paradoxe Effekte haben kann und daher eher indiziert, wie fragil die Bewertungsmaßstäbe mitunter sind. 

Im Übrigen ist natürlich immer zu berücksichtigten, dass  altersgemäß von Schülern  ein bestimmtes Maß an Selbstverantwortung erwartet werden kann, was dann im Ernstfall zu Abwägung von Verantwortlichkeiten und entsprechenden Einschränkungen des vollen Schadensrisikos führt.  Klar wird, dass es um Abwägungen geht, die man in einer späteren gerichtlichen Praxis nicht a priori vorwegnehmen kann.  Es handelt sich bei solchen Entscheidungen oftmals um Einzelfallbetrachtungen, die den Betroffenen ungerecht erscheinen, weil es a-posteriori-Maßstäbe zu sein scheinen. Deshalb sollte man sehr kritisch mit den konkreten Situationen umgehen und sich nicht nur auf standardisierte Vorkehrungen verlassen. Gibt es auffällige Jugendliche bzw. schwierige Gruppen? Hat sich bereits zuvor aufgrund irgendwelcher Modalitäten ein Schaden ereignet, der nun vorhersehbar ist, sodass man später mit dem richterlichen Vorwurf leben muss, dem konkreten Schadensereignis habe man aufgrund entsprechender Vorfälle besser vorbeugen sollen. Besonders fatal ist es, wenn sich ein Schaden schon einmal zuvor in ähnlicher Weise ereignet hat. Dann sind Exkulpationsversuche zum Scheitern verurteilt.

Hinweise und Verbote ersetzen selbstverständlich keine Aufsichtspflichten, aber im Ernstfall kann es eine erhebliche Rolle spielen, wenn gerade bei älteren Schülern nachweisbar ist, dass sie auf bestimmte Verhaltensweise und Verbote hingewiesen worden sind. Insofern sollte man auch potentielle Gefahrenumstände (extensiv) mit der Gruppe oder auch auffälligen Einzelnen thematisieren und ggf. fragen, ob Umstände vorliegen, die wiederum Gefahreneintritte wahrscheinlicher machen. Allerdings reicht nach der Rechtsprechung eine Belehrung zu Beginn eines Aufenthalts, keine strafbaren oder sonstige inkriminierte Handlungen zu begehen, nicht einmal aus. Erforderlich ist vielmehr, dass diese Belehrung in ausreichendem Umfang "aufgefrischt" wird.  

So sollte die Hausordnung in eindeutiger Weise (Abzeichnung) den Schülern und – soweit die Schüler minderjährig sind – den Erziehungsberechtigten - zur Kenntnis gebracht werden. Bei jedem Betreten bzw. Verlassen des Schul- und Internatsgeländes sollte für die Schüler eine Meldepflicht eingeführt werden. Die Meldepflicht sollte auch für Besucher, insbesondere Angehörige, gelten.  Schließlich sind Einwilligungserklärungen der Eltern – etwa zur Frage, ob der Schüler die Einrichtung verlassen darf - auch ein wichtiges Instrument der Schadensverlagerung. 

"Aufsichtspflicht und Internet" vgl. diese Ausführungen >>

Zum richtigen Verhalten bei Abmahnungen >>

Filesharing, Downloads, Uploads urheberrechtlich geschützter Musik >>

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