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 Rechtsanwalt Bonn Dr. Palm

 

 

 

 

Aufsichtspflicht

Wann haften Eltern für ihre Kinder?

Aufsichtspflicht verletzt?

Zahlt die Privathaftpflicht?

Das Recht und die Pflicht, das Kind zu beaufsichtigen ist Ausdruck des Personensorgerechts der Eltern (§ 1631 BGB). Die Beaufsichtigung dient dem Schutz des Kindes und dem Schutz Dritter vor Schäden, die das Kind anrichten könnte. Vgl. dazu die folgende Darstellung - speziell zum Thema "Aufsichtspflicht und Internet" auch diese Ausführungen >>

Aufsichtspflicht Justitia

               

 

Ist jemand per Gesetz oder gerichtliche Anordnung aufsichtspflichtig über minderjährige Kinder haftet er gemäß § 832 BGB für Schäden, die die unter Aufsicht Stehenden Dritten zufügen. Der  Aufsichtspflichtige kann sich entlasten, wenn er beweist, dass er seine Aufsichtspflicht nicht verletzt hat.
Was sagt das Gesetz?

§ 832 BGB

(1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustandes der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatze des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher die Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt.

Kinder unter 7 Jahren haften grundsätzlich nicht. Die Eltern haften in diesem Fall, wenn sie Ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. In solchen Konstellationen wird also die Privathaftpflichtversicherung das prüfen. Kommt sie zu dem Schluss, das die Eltern ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind, wird der geschädigte Anspruchsteller keine Leistung erhalten. Für Kinder vom 7. - 18. Lebensjahr gilt: Volle Haftung, wenn der Minderjährige die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzt. Für den Straßenverkehr gilt eine Sonderregel s.u.

§ 828 BGB

(1) Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.

(2) Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn er die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt hat.

(3) Wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist, sofern seine Verantwortlichkeit nicht nach Absatz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.

Grundsatz: Mit zunehmendem Alter der Kinder sinkt die Aufsichtspflicht der Eltern und wächst die Selbständigkeit der Kinder.

Jüngere Kinder setzen höhere Anforderungen an die  Aufsicht, da ihnen viele Gefahren noch nicht geläufig sind und ihr Verhalten oft wenig berechenbar ist. Eigenart und Entwicklungsstand des jeweiligen Kindes sind zu berücksichtigen. Weiterhin ist nach der Art der Tätigkeiten bzw. deren Gefahrengraden zu differenzieren. Räumliche Gegebenheiten - also etwa besondere Gefahrenquellen - sind zu berücksichtigen, um den konkreten Umfang der Aufsichtspflicht anzugeben.

Vgl. etwa BGH in NJW 1984, S. 2574: Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was Jugendleitern in der jeweiligen Situation zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was ein verständiger Jugendleiter nach vernünftigen Anforderungen unternehmen muss, um zu verhindern, dass das Kind selbst zu Schaden kommt oder Dritte schädigt.
Eltern haften für einen von einem Vierjährigen ausgelösten Brand

Das Spiel eines Vierjährigen mit Zündhölzern führte zur Elternhaftung in Höhe von 6 600 Euro Schadenersatz. Nach dem Urteil  des Landgerichts München II haften die Eltern wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht (Az.: 4 O 4585//03). Der von dem Kind ausgelöste Brand hatte  nicht nur die Wohnung seiner Familie völlig zerstört, sondern auch in den Räumen einer Nachbarin erheblichen Schaden verursacht.Nach Angaben der Mutter gab es in ihrer Wohnung keine Streichhölzer. Eine häufige Besucherin widersprach dem.  In einem solchen Fall spreche die Beweisvermutung gegen die Eltern, erklärte das Gericht. Der Gegenbeweis sei nicht gelungen.

Noch ein "Zündelfall": Wissen aufsichtspflichtige Eltern, dass ihr minderjähriges Kind zum Zündeln neigt, so sind an ihre Aufsichts- und Belehrungspflicht erhöhte Anforderungen zu stellen. Sie müssen dafür Sorge tragen und bei Anlass kontrollieren, dass ihr zum Zündeln neigendes Kind nicht für längere Zeit unkontrolliert in den Besitz eines Feuerzeuges gelangt. Kommt es infolge einer schuldhaften Verletzung der Aufsichtspflicht zu einem Schaden, bei dem ein Dritter geschädigt wird (im konkreten Fall eine Grundschule, auf deren Toilette der 8-jährige Schüler einen Schwelbrand verursachte), so hat der Aufsichtspflichtige (bzw. die hinter ihm stehende Haftpflicht-Versicherung) den Fremd-Schaden zu ersetzen (Vgl. Oberlandesgericht Nürnberg v. 28.11.2001 - Az. 3 U 2441/00).

Neunjähriger muss Kosten für Feuerwehreinsatz zahlen

Das Verwaltungsgericht Koblenz (24.03.2004 - Az.: 2 K 2208/03.KO) machte einen neunjährigen Jungen für einen von ihm gelegten Brand verantwortlich. Der Schüler muss die  Feuerwehrkosten zahlen. Der Täter hatte im Sommer 2002 vor einer Scheune einen Strohhalm angezündet, der zu Boden fiel. Daraufhin war der Schuppen in Brand geraten. Zahlreiche Feuerwehrleute waren danach stundenlang mit Löscharbeiten beschäftigt. Die  Kosten in Höhe von rund 20.500 Euro wurden dem Jungen in Rechnung gestellt. Die Eltern des Jungen klagten dagegen. Die Argumentation der Eltern, dem Neunjährigen habe die Einsicht in die Gefährlichkeit seines Tuns gefehlt, wies das VG zurück.

Vierjährige Tochter spielt allein auf der öffentlichen Straße vor dem Grundstück der Eltern und verkratzt mit einem Stein einen Pkw mit erheblichen Schadensfolgen.

Das Landgericht Lüneburg verurteilte die Eltern zum Ersatz des Schadens, da Kinder in diesem Alter  noch eine umfangreiche Beaufsichtigung benötigen. Der ständige Blickkontakt zu dem Kind - allenfalls für jeweils fünf Minuten unterbrochen -  reiche nicht aus.  (Urteil  LG Lüneburg vom 09.01.1997,4 S 237/96, NJW-RR 1998, 97).

Radfahren und Aufsichtspflicht

"Erst recht darf Kindern wegen der damit verbundenen geringeren Gefahren das Rad fahren in einem Freizeit- und Spielgelände wie dem Marienberg gestattet werden. Das OLG Celle (NJW-RR 1988, Seite 216) hat z.B. festgestellt, dass eine Aufsichtspflichtverletzung dann nicht vorliege, wenn Eltern ihrem fast sechs Jahre alten Kind, das im Rad fahren geübt und mit den Verkehrsanforderungen auf dem nahe der Wohnung gelegenen Rad- und Fußweg vertraut ist, das Rad fahren auf diesem Weg ohne Begleitung gestatten... Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte nicht unmittelbar vor oder hinter seinem Sohn fuhr und sich damit der Möglichkeit begab, notfalls unmittelbar körperlich auf ihn einzuwirken" (OLG Nürnberg Az. 2 U 167/00).

Oberlandesgericht Celle

Oberlandesgericht Celle 

Ein normales 9-jähriges Kind muss sich beim Spielen im Freien nicht im unmittelbaren Aufsichtsbereich aufhalten, der ein jederzeitiges Eingreifen des Aufsichtspflichtigen ermöglicht. Die Aufsichtspflicht verlangt, dass sich der Aufsichtspflichtige über das Tun und Treiben in groben Zügen einen Überblick verschafft - so der BGH (NJW 1984, S. 2574 ).

 

Elfjähriger kauft Cabrio im Internet

Für die passwortgeschützte Teilnahme an einer Internetauktion besteht weder eine tatsächliche Vermutung für die Identität von Teilnehmer und Inhaber des Mitgliednamens noch eine Anscheinsvollmacht für ein Handeln unter fremdem Mitgliedsnamen.

Dies gilt auch in dem Fall, dass ein haushaltsangehöriges, minderjähriges Kind des Inhabers des Mitgliednamens unbefugt dessen Passwort sich verschafft und zur Teilnahme an der Auktion unter dessen Mitgliedsnamen verwendet.

Der hilfsweise geltend gemachte Schadenersatzanspruch wegen Aufsichtspflichtverletzung (§ 832 Abs. 1 S. 1 BGB) besteht nicht. Es erscheint schon nicht pflichtwidrig, seinen elfjährigen Sohn allein in der Wohnung zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.1993, VI ZR 117/92, NJW 1993, 1003 = VersR 1993, 485; Palandt/Sprau, BGB, 63. Auflage, § 832, Rn. 9) - (LG Bonn 2 O 472/03).

Schüler muss für Heilbehandlungskosten einer Mitschülerin aufkommen

Das LG Trier (17.07.2003) verurteilte einen Schüler der Klägerin die ihr als gesetzliche Unfallversicherung entstandenen Aufwendungen für die Heilbehandlung einer Mitschülerin in Höhe von mehr als 3000,00 EUR zu erstatten. Der Schüler hatte seine Mitschülerin mit einem Papiergeschoss im rechten Auge getroffen und ihr so eine erhebliche Augenverletzung zugefügt. Weiterhin  stellte das Gericht fest, dass der Schüler verpflichtet ist, der Klägerin auch alle noch zukünftig entstehenden Heilbehandlungskosten zu ersetzen. Während einer Unterrichtspause schossen der damals 13-jährige Beklagte und andere Schüler vor dem Eintreffen des Lehrers mit zusammengefalteten Papiergeschossen, die sie mit einem dünnen Gummi abfeuerten. Der Beklagte war von einem seiner Mitschüler mit einem solchen Kügelchen beschossen worden, weshalb er seinerseits ebenfalls Papiergeschosse auf diesen Mitschüler schießen wollte. Ein auf den in 2 m Entfernung sitzenden Mitschüler gerichtetes Geschoss verfehlte jedoch sein Ziel und flog in das rechte Auge der daneben sitzenden Mitschülerin. Diese erlitt eine erhebliche Augenverletzung.

Das LG gab der Klage der gesetzlichen Unfallversicherung auf Erstattung der ihr entstandenen Heilbehandlungskosten und dem Feststellungsantrag statt. Der Beklagte sei für die Verletzungen der Mitschülerin in vollem Umfang verantwortlich, da ein 13-jähriger Junge die erforderliche Einsicht habe, dass ein Papiergeschoss zu Verletzungen führen könne, wenn es gegen das Gesicht oder gar gegen das Auge eines anderen treffe. Entgegen der Ansicht des Beklagten greife der bei Schulunfällen in der gesetzlichen Unfallversicherung vorgesehene Haftungsausschluss nicht ein. Dieser Haftungsausschluss gelte nur gegenüber Ansprüchen des Geschädigten selbst. Diesem gegenüber hafte der Schädiger nur, wenn er den Unfall und den Schaden vorsätzlich herbeigeführt habe. Dem gesetzlichen Unfallversicherer gegenüber sei der Schädiger zum Aufwendungsersatz verpflichtet, auch wenn bei typischen Schulunfällen - wie hier - durch Spielerei und Raufereien im Normalfall die Mitschüler gegenseitig sich keine ernsthaften und dauerhaften Verletzungen zufügen wollten und somit ein bedingter Vorsatz für die Verletzungsfolgen entfalle.

Eigene Kinder und auch Kinder des mitversicherten Lebenspartners sind grundsätzlich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres über die Privathaftpflichtversicherung der Eltern mitversichert.

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