Zum
Beweiswert eines ärztlichen Beschäftigungsverbots
BAG,
Urteil vom 21. 3. 2001 - 5 AZR 352/ 99
1. Die
Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1
MuSchG können auch dann vorliegen, wenn psychisch bedingter
Streß Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdet.
Voraussetzung ist, dass der gefährdende Stress gerade durch die
Fortdauer der Beschäftigung verursacht oder verstärkt wird.
2. Die
Beweislast für Umstände, die den Beweiswert einer ärztlichen
Bescheinigung nach § 3 Abs 1 MuSchG erschüttern sollen, trägt
der Arbeitgeber. Die Beweislast dafür, dass trotz des erschütterten
Beweiswerts der ärztlichen Bescheinigung ein Beschäftigungsverbot
nach § 3 Abs 1 MuSchG angezeigt war, trägt die Arbeitnehmerin.
Aus den
Gründen (verkürzte Darstellung): Die Parteien streiten
über Ansprüche der Klägerin auf Mutterschutzlohn. Die
Beklagte betreibt eine Spedition. Sie hat etwa 30 kaufmännische
und 50 gewerbliche Mitarbeiter. Die 32-jährige Klägerin ist
seit dem 1. September 1987 bei der Beklagten beschäftigt. Sie
ist tätig als Sachbearbeiterin im Bereich Export/ Import. Ihr
Bruttomonatsgehalt beträgt 4. 310, 00 DM. Im Jahre 1997 wurde die Klägerin schwanger. Das teilte sie der
Beklagten im Oktober 1997 mit. Als voraussichtlichen
Entbindungstermin nannte sie den 8. Juni 1998. Vom 7. Januar bis
Anfang Februar 1998 war die Klägerin laut ärztlicher
Bescheinigungen arbeitsunfähig krank. Am 9. Februar 1998 legte
sie der Beklagten ein Attest eines der sie behandelnden Ärzte
vom 4. Februar 1998 vor, das folgenden Wortlaut hat:
"Für
(die Klägerin), geb. 6. 8. 68 wird ein
schwangerschaftsbedingtes individuelles Beschäftigungsverbot
nach § 3 Abs. 1 MuSchG ausgesprochen. Umfang des Verbotes:
gesamte berufliche Tätigkeit, Dauer des Verbotes: unbefristet,
Grund: Leben oder Gesundheit von Mutter und Kind sind bei
Fortdauer der Beschäftigung gefährdet."
Die
Beklagte bat die Ärzte telefonisch um Auskunft über die Gründe
für das Attest. Dabei erfuhr sie, dass die Klägerin über
Probleme mit Vorgesetzten und Arbeitskollegen geklagt habe. Mit
Schreiben vom 5. März 1998 wandte sich die Beklagte erneut an
den ausstellenden Arzt. Sie teilte diesem mit, dass aus ihrer
Sicht keine Umstände bestünden, die ein Beschäftigungsverbot
rechtfertigen könnten. Das Arbeitsverhältnis sei stets
unbelastet und störungsfrei verlaufen. Psychische
Dauerbelastungen der Klägerin gebe es nicht. Es sei kein
Zusammenhang zwischen dem Arbeitseinsatz und einer Gefährdung
iSv. § 3 Abs. 1 MuSchG zu erkennen. Die Beklagte bat um
Mitteilung, ob das Beschäftigungsverbot aufrechterhalten werde.
Die behandelnden Ärzte baten die Klägerin unter Beifügung
einer Kopie dieses Schreibens um Stellungnahme und führten mit
ihr am 10. März 1998 ein Telefongespräch. Ihr Attest vom 4.
Februar 1998 nahmen sie nicht zurück.
Am 11. März
1998 beantragte die Beklagte bei der zuständigen
Bezirksregierung die Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung
des Arbeitsverhältnisses der Klägerin. Ihr Antrag wurde
abgelehnt. Widerspruch legte sie nicht ein.
Seit Mitte
Februar 1998 zahlte die Beklagte der Klägerin kein Gehalt mehr.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zahlung der offenen Gehälter
für die Zeit bis zum 27. April 1998 in rechnerisch unstreitiger
Höhe. Sie hat die Auffassung vertreten, die ärztliche
Bescheinigung vom 4. Februar 1998 sei zu Recht erteilt worden.
Sie hat behauptet, im Betrieb sei gegen sie
"Psychoterror" und "Mobbing" ausgeübt
worden. Das Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten habe sich
schlagartig verschlechtert, nachdem sie ihn von ihrer
Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt habe. So sei sie für
Vorsorgeuntersuchungen anfänglich nur mit der Aufforderung
freigestellt worden, die entsprechende Zeit nachzuarbeiten. Auch
habe die Beklagte schon am 12. November 1997 in der örtlichen
Presse eine Stellenanzeige für die Neubesetzung ihres
Arbeitsplatzes aufgegeben, obwohl sie in ihrer
Schwangerschaftsmitteilung ausdrücklich erklärt habe, sich zu
einem möglichen Erziehungsurlaub erst später äußern zu
wollen. Ihr Vorgesetzter habe im Dezember 1997 ihren Antrag auf
Bildungsurlaub aufbrausend abgelehnt und diese Ablehnung erst später
mit Hinweis auf betriebliche Hindernisse begründet. Die auf die
Stellenanzeige für ein Jahr befristet eingestellte
Mitarbeiterin habe in einem ersten Gespräch am 5. Januar 1998
erklärt, ihr habe man gesagt, ihr Arbeitsplatz sei sicher, da
sie - die Klägerin - nach der Entbindung nicht mehr
wiederkommen werde. Die Klägerin hat vorgebracht, seit November
1997 habe sie täglich an Kopf- und Magenschmerzen und
Schwindelanfällen gelitten. Darüber habe sie ihren Arzt am 6.
Januar 1998 informiert. Zugleich habe sie ihm mitgeteilt, dass
sie wegen des von ihr als Psychoterror und Mobbing empfundenen
Verhaltens im Betrieb "total deprimiert" gewesen und
ständig in Tränen ausgebrochen sei, wenn sie ihrem Ehemann über
die Verhältnisse im Hause der Beklagten berichtet habe. Sie
habe sich der "psychischen Belastung am Arbeitsplatz"
nicht mehr gewachsen gefühlt und nicht mehr schlafen können.
Die Klägerin
hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 9. 766, 36 DM
brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag von 1. 939, 00 DM
brutto seit dem 1. März 1998, aus dem Nettobetrag von 4. 310,
00 DM brutto seit dem 1. April 1998 und aus dem Nettobetrag von
3. 517, 36 DM brutto seit dem 1. Mai 1998 zu zahlen.
Die
Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet,
die Klägerin habe gegenüber ihren Ärzten - objektiv
unzutreffend - erklärt, es sei zwischen den Parteien bereits
ein Arbeitsgerichtsverfahren anhängig. Ohne eine solche Angabe
hätten die Ärzte das Beschäftigungsverbot nicht
ausgesprochen. Es treffe auch nicht zu, dass die Klägerin auf
Grund irgendwelcher betrieblicher Vorkommnisse Grund für die
Annahme gehabt habe, gegen sie werde Psychoterror ausgeübt.
Das
Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das
Landesarbeitsgericht hat sie nach Beweisaufnahme abgewiesen. Mit
der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht
gegebenen Begründung kann das angefochtene Urteil keinen
Bestand haben. Es beruht auf einem Verfahrensfehler. Die ihm
zugrunde liegende Beweiswürdigung ist unvollständig. Dies führt
zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des
Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
I. Die
Revision ist zulässig. Die Klägerin rügt, das
Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, sie trage die
Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot
vorgelegen hätten. Falls diese Rüge sachlich berechtigt ist,
also die Beweislast der Beklagten oblag, hätte das
Landesarbeitsgericht zu einem anderen Ergebnis gelangen, nämlich
der Klage nach seiner Auffassung stattgeben müssen. Die
Revision rügt ferner die Beweiswürdigung des
Berufungsgerichts. Zum einen habe dieses die psychische
Belastung der Klägerin mit dem Argument ausgeschlossen, es lägen
keine physischen Auffälligkeiten vor. Zum anderen stünden die
Bekundungen der Ärzte im Widerspruch zu dem vom
Landesarbeitsgericht dargestellten Ergebnis der Beweisaufnahme.
Der Sache nach rügt die Klägerin damit eine Verletzung von §
286 ZPO durch einen Verstoß gegen die Denkgesetze und unvollständige
Würdigung der erhobenen Beweise. Beides sind zulässige
Verfahrensrügen.
II. Die
Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die
erhobenen Beweise nicht vollständig gewürdigt. Ob die
Klageforderung besteht, kann der Senat nicht abschließend
entscheiden.
1. Die Klägerin
hat im Anschluss an ihre Arbeitsunfähigkeit die Arbeit bis zum
Beginn der Mutterschutzfrist am 28. April 1998 nicht wieder
aufgenommen. Die Klageforderung kann sich daher nur aus § 11
Abs. 1 MuSchG ergeben. Nach dieser Vorschrift hat eine
schwangere Arbeitnehmerin, soweit sie nicht Mutterschaftsgeld
nach der RVO beziehen kann, Anspruch auf Weitergewährung ihres
bisherigen Durchschnittsverdienstes, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots
nach § 3 Abs. 1 MuSchG mit der Arbeit aussetzt. Gemäß § 3
Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt
werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit
von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet
ist.
2. Für
ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG kommt es nicht
darauf an, ob vom Arbeitsplatz als solchem, also der
spezifischen Tätigkeit, Gefahren für die Schwangere ausgehen
und ob solche Gefahren auch für andere Schwangere bestünden.
Maßgeblich ist allein der individuelle Gesundheitszustand der
am konkreten, möglicherweise völlig ungefährlichen
Arbeitsplatz beschäftigten Arbeitnehmerin. Es genügt, dass die
Fortsetzung der Arbeit die Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet.
Dabei ist unerheblich, auf welcher genauen Ursache die Gefährdung
beruht (BAG 11. November 1998 - 5 AZR 49/ 98 - BAGE 90, 125 mwN).
Ausschlaggebend ist, dass die Gefährdung gerade mit der
Fortsetzung der Arbeit verbunden ist. Unter dieser Voraussetzung
können auch psychische Belastungen der Arbeitnehmerin ein Beschäftigungsverbot
begründen. Das individuelle Beschäftigungsverbot des § 3 Abs.
1 MuSchG greift aber erst ein, wenn der Arzt eine Gefährdung
attestiert hat. Das ärztliche Zeugnis ist deshalb für das
Beschäftigungsverbot konstitutiv (Schliemann/ König NZA 1998,
1030, 1032 mwN).
3. Das
Beschäftigungsverbot wirkt sich aus auf die Leistungspflicht
der Arbeitnehmerin und auf die Gegenleistungspflicht des
Arbeitgebers.
4. Der
Arbeitgeber, der ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1
MuSchG nicht gegen sich gelten lassen will, kann vom
ausstellenden Arzt Auskünfte über die Gründe für das Attest
verlangen, soweit diese nicht der ärztlichen Schweigepflicht
unterliegen. Der Arbeitgeber kann deshalb nach möglichen
Ursachen für das Verbot fragen, soweit sie im betrieblichen
Arbeitsablauf begründet sein könnten. Der Arbeitgeber muss
Gelegenheit haben, etwaige Gefahrenquellen zu beseitigen. Der
Arzt hat deshalb dem Arbeitgeber mitzuteilen, von welchen tatsächlichen
Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin er bei Erteilung seines
Zeugnisses ausgegangen ist. Trifft die Beschreibung zu, kann der
Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen in Absprache mit dem Arzt möglicherweise
so verändern, dass eine Weiterbeschäftigung ungefährlich
wird. Trifft die Beschreibung aus Sicht des Arbeitgebers nicht
zu, kann er den Arzt darauf hinweisen und um eine Erklärung darüber
bitten, ob ein Beschäftigungsverbot auch bei Zugrundelegung der
aus Arbeitgebersicht gegebenen Arbeitsbedingungen besteht.
5. Wird
das ärztliche Attest aufrechterhalten, will der Arbeitgeber das
Beschäftigungsverbot aber gleichwohl nicht gegen sich gelten
lassen, kann er eine weitere ärztliche Untersuchung der
Arbeitnehmerin verlangen (BAG 31. Juli 1996 - 5 AZR 474/ 95 -
BAGE 84, 1; Gröninger/ Thomas Mutterschutzgesetz Stand Juni
2000 § 3 Rn. 29; Zmarzlik/ Zipperer/ Viethen aaO § 3 MuSchG
Rn. 16; ErfK/ Schlachter 2. Aufl. § 3 MuSchG Rn. 11). Die
Arbeitnehmerin hat diesem Verlangen angesichts der den
Arbeitgeber treffenden Belastungen regelmäßig nachzukommen,
wenn der Arbeitgeber ihr die ihn dazu bewegenden Gründe
mitteilt. Dazu ist der Arbeitgeber aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
der Arbeitnehmerin verpflichtet.
6.
Bestehen Zweifel an einem Beschäftigungsverbot, ist es dem
Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Senats unbenommen, unabhängig
von einer neuerlichen Untersuchung Umstände vorzutragen, die
den Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttern (BAG 1.
Oktober 1997 - 5 AZR 685/ 96 - BAGE 86, 347; BAG 31. Juli 1996
aaO). Regelmäßig wird er auf diese Weise das Verbot aber nicht
mehr vor Beginn der Frist des § 3 Abs. 2 MuSchG zu Fall bringen
können, falls der Arzt seine Erklärung nicht zurücknimmt.
a)
Erhebliches Vorbringen des Arbeitgebers zur Erschütterung des
Beweiswerts kann die Behauptung sein, die Arbeitnehmerin habe
dem Arzt ihre Arbeitsbedingungen, die für den Anspruch des
Verbots ausschlaggebend gewesen seien, unzutreffend beschrieben
oder sie habe gegenüber Dritten erklärt, sie habe ein Gefälligkeitszeugnis
erhalten und Ähnliches mehr. Für die Richtigkeit seiner
Behauptungen trägt der Arbeitgeber die Beweislast.
b) Ist der
Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttert, steht nicht
mehr mit der gebotenen Zuverlässigkeit fest, dass die
Arbeitnehmerin iSv. § 11 Abs. 1 MuSchG "wegen eines Beschäftigungsverbots"
mit der Arbeit ausgesetzt hat. Zutreffend hat das
Landesarbeitsgericht angenommen, dass es nunmehr Sache der
Arbeitnehmerin ist, die Tatsachen darzulegen und ggf. zu
beweisen, aufgrund derer ein Beschäftigungsverbot gleichwohl
bestand. So wie bei einer nur mündlichen Erklärung des Arztes
kommen ihr in diesem Fall keine Beweiserleichterungen mehr
zugute (zum eingeschränkten Beweiswert einer nur mündlichen
Erklärung vgl. BAG 1. Oktober 1997 aaO). Darüber, ob sie zur
Beweisführung ihren behandelnden Arzt von seiner
Schweigepflicht entbindet und ihn als sachverständigen Zeugen für
die Verbotsgründe benennt, muss sie selbst befinden.
Diese
Verteilung der Beweislast ergibt sich aus dem allgemeinen
Grundsatz, dass jede Partei die für ihr Begehren notwendigen
und damit die für sie günstigen Tatsachen beweisen muss. Die
Arbeitnehmerin, die Mutterschutzlohn verlangt, begehrt -
entgegen §§ 323, 325 BGB - Vergütung ohne Arbeitsleistung.
Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 11 MuSchG hat
deshalb sie zu beweisen. Aus ihrem und des ungeborenen Kindes
Recht auf körperliche Unversehrtheit und aus Art. 6 Abs. 4 GG
folgt anderes nur im Hinblick auf das Bestehen einer
Arbeitspflicht, nicht für den Vergütungsanspruch. Dem stehen
die Entscheidungen des Senats vom 31. Juli 1996 (- 5 AZR 474/ 95
- BAGE 84, 1) und 12. März 1997 (- 5 AZR 766/ 95 - BAGE 85,
237) nicht entgegen. Soweit es dort heißt, der Arbeitgeber
trage "das Risiko dafür, das Gericht von der Unrichtigkeit
des ärztlichen Beschäftigungsverbots überzeugen zu müssen",
bzw. "die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für
den Ausspruch eines Beschäftigungsverbots in Wahrheit nicht
vorgelegen haben", bezieht sich dies lediglich auf die
Tatsachen, die den anfänglichen Beweiswert des schriftlichen
Verbots erschüttern sollen.
7. Von
diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht
ausgegangen.
a) Das
Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten als
geeignet angesehen, den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung
vom 4. Februar 1998 zu erschüttern. Da es über die Richtigkeit
des Vorbringens der Beklagten tatsächlich Beweis erhoben hat,
kommt es nicht mehr darauf an, ob ihm insoweit zu folgen ist. An
die Feststellungen des Berufungsgerichts ist das
Revisionsgericht nach § 561 ZPO auch dann gebunden, wenn sie
aufgrund einer rechtlich nicht erforderlichen Beweiserhebung
getroffen worden sein sollten.
Im übrigen
war im Streitfall eine Beweisaufnahme durchaus geboten. Die
Beklagte hatte von den die Klägerin behandelnden Ärzten - mit
Recht - die Auskunft erhalten, dass diese über Probleme mit
Vorgesetzten und Arbeitskollegen am Arbeitsplatz geklagt habe
und das Attest vom 4. Februar 1998 damit im Zusammenhang stehe.
Auf den Vorhalt der Beklagten, sie vermöge solcherlei Probleme
nicht zu erkennen, und auf ihre Anfrage, ob das Beschäftigungsverbot
aufrechterhalten bleibe, reagierten die Ärzte nicht. Bei einem
auf "Probleme mit Vorgesetzten und Kollegen" gestützten
Beschäftigungsverbot genügt der Arbeitgeber, der die
Berechtigung des Verbots anzweifelt, seiner Darlegungslast zunächst
dadurch, dass er solche Probleme bestreitet. Es ist Sache der
Arbeitnehmerin, sie näher zu erläutern und entsprechende
Geschehnisse zu konkretisieren. Erst dann ist der Arbeitgeber
gehalten, dies substantiiert zu bestreiten und das Gegenteil
unter Beweis zu stellen. Beide Parteien sind ihren prozessualen
Obliegenheiten insoweit nachgekommen. Überdies hatte die
Beklagte behauptet, das Beschäftigungsverbot sei lediglich
deshalb ausgesprochen worden, weil die Klägerin gegenüber den
Ärzten fälschlich angegeben habe, es sei bereits ein
Arbeitsgerichtsverfahren zwischen den Parteien anhängig.
b)
Das Landesarbeitsgericht hat nicht nur den Beweiswert des ärztlichen
Zeugnisses vom 4. Februar 1998 als erschüttert angesehen. Es
hat die erhobenen Beweise außerdem dahin gewürdigt, dass die
von der Klägerin genannten Vorfälle sich teilweise anders
zugetragen haben als von ihr behauptet und insgesamt keinen
objektiven Grund für die Annahme bildeten, sie - die Klägerin
- habe "terrorisiert" werden sollen und sei "Mobbing"
ausgesetzt gewesen. Diese Feststellungen des Berufungsgerichts
werden von der Klägerin mit einer Verfahrensrüge nicht
angegriffen. Sie sind für das Revisionsgericht deshalb bindend.
c) Zu
Recht rügt die Klägerin dagegen, die Beweiswürdigung des
Landesarbeitsgerichts sei in anderer Hinsicht unvollständig.
aa) Eine
vom Berufungsgericht gemäß § 286 Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung
des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer
Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur beschränkt
nachprüfbar. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das
Berufungsgericht die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286
Abs. 1 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von
Bedeutung ist deshalb nur, ob das Berufungsgericht tatsächlich
den gesamten Inhalt der Verhandlungen berücksichtigt und alle
erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in
sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen
Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist und ob sie
rechtlich möglich ist (BAG 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/ 96 -
BAGE 86, 347 mwN). Dabei verlangt die Berücksichtigung des
Ergebnisses einer Beweisaufnahme nicht eine Würdigung jeder
Einzelausführung eines Zeugen oder Sachverständigen. Es reicht
aus, dass insgesamt widerspruchsfrei und umfassend zum Ergebnis
der Beweisaufnahme Stellung genommen wird (BAG 25. Februar 1998
- 2 AZR 327/ 97 - nv., zu Ziff. II 1 der Gründe mwN). Zu
verlangen ist jedoch, dass alle wesentlichen Aspekte in den
Aussagen eines Zeugen oder Sachverständigen in der Begründung
des Gerichts erwähnt und gewürdigt werden.
bb) Diesen
Anforderungen wird die Beweiswürdigung des
Landesarbeitsgerichts nicht voll gerecht.
Der
Facharzt für Frauenheilkunde Dr. B, der die Klägerin
behandelte und die Bescheinigung vom 4. Februar 1998 erteilte,
hat bei seiner Vernehmung vor dem Landesarbeitsgericht ua.
ausgesagt, er habe bereits am 21. Januar 1998 Überlegungen
angestellt, ein individuelles Beschäftigungsverbot
auszusprechen. Zum damaligen Zeitpunkt habe ihm allerdings die
sichere Kenntnis über die konkreten Voraussetzungen eines
derartigen Verbots gefehlt. Nachdem er ausreichende
Informationen eingeholt habe, habe er am 4. Februar 1998 das
Verbot ohne weitere Untersuchung der Klägerin ausgesprochen.
Zuvor habe die Klägerin Probleme am Arbeitsplatz angesprochen.
Sie habe ihm eine Stresssituation geschildert, die für ihn eine
Gefährdung ihrer selbst bzw. ihres noch nicht geborenen Kindes
dargestellt habe, zumal sie sich im damaligen Zeitpunkt in einer
kritischen Phase der Schwangerschaft befunden habe. Die Klägerin
sei zu Beginn des Jahres 1998 mehrmals in der Praxis gewesen,
habe wiederholt auf die betrieblichen Probleme hingewiesen und
den Eindruck einer "aufgelösten Erscheinung" gemacht.
Obwohl die geschilderten Umstände nicht objektivierbar gewesen
seien, habe er deshalb keine andere Möglichkeit gesehen, als
das Beschäftigungsverbot auszusprechen.
Der
Facharzt für Frauenheilkunde Dr. W, der die Klägerin ebenfalls
behandelte, hat bekundet, die Klägerin habe ihm am 18. Januar
1998 berichtet, dass sich das betriebliche Zusammenleben
weiterhin unerfreulich gestaltet habe, sie häufig in Tränen
ausbreche und unter Bauchschmerzen leide. Hätte er am 18.
Januar 1998 Kenntnis von der Möglichkeit gehabt, ein Beschäftigungsverbot
auszusprechen, hätte er dies getan, weil es der damaligen
Situation entsprochen habe. Die Klägerin habe ihm mitgeteilt, dass
sie wegen der betrieblichen Verhältnisse gestresst sei. Ein
solcher Stress könne durchaus negative Auswirkungen auf eine
bestehende Schwangerschaft haben, bis hin zur Gefahr einer Frühgeburt.
Er bleibe deshalb bei seiner Einschätzung, dass auf der
Grundlage der Informationen vom 18. Januar 1998 ein Beschäftigungsverbot
hätte ausgesprochen werden können.
Die
Aussagen der sachverständigen Zeugen können dahin verstanden
werden, dass aufgrund des psychischen Zustands der Klägerin die
Feststellung eines Beschäftigungsverbots unabhängig davon
geboten war, ob die von ihr gegen die Beklagte erhobenen Vorwürfe
objektiv zutrafen. Beide Zeugen haben das Vorliegen von Stresserscheinungen
und einer seelischen Aufgelöstheit bei der Klägerin bekundet.
Beide hielten ein Beschäftigungsverbot aufgrund der
Schilderungen der betrieblichen Situation für erforderlich.
Eine Gefährdung der Klägerin oder des Kindes durch eine
Fortsetzung der Arbeit wird nicht notwendig dadurch geringer, dass
die Klägerin sich zwar bei ruhiger und gelassener Prüfung
objektiv zu Unrecht einem Psychoterror und Mobbing ausgesetzt fühlte,
tatsächlich aber gleichwohl eine im Zusammenhang mit der Arbeit
stehende und zur Gefährdung führende psychische Belastung
auftrat.
Diesen
Aspekt der Zeugenaussagen hat das Landesarbeitsgericht nicht gewürdigt.
Es hat sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme allein unter dem
Aspekt befaßt, ob die Bewertung der betrieblichen Vorfälle als
Mobbing und Psychoterror objektiv berechtigt erschienen sei, und
hat dies verneint. Aus den Gründen des Urteils ist dagegen
nicht ersichtlich, dass es die Möglichkeit in Betracht gezogen
hat, es könnten die subjektiven Empfindungen der Klägerin am
Arbeitsplatz zu einer tatsächlich vorhandenen psychischen
Ausnahmesituation und Stresssymptomatik geführt haben, durch
die bei Fortdauer der Arbeit Gesundheit oder Leben von Mutter
oder Kind gefährdet war. dass das Landesarbeitsgericht diese Möglichkeit
erwägen und das Ergebnis der Beweisaufnahme auch unter diesem
Aspekt würdigen würde, durfte die Klägerin erwarten. Sie
hatte jedenfalls in ihrem Schriftsatz vom 1. März 1999 ausdrücklich
vorgetragen, subjektiv habe sie Psychoterror und Mobbing
empfunden. Das Landesarbeitsgericht musste außerdem davon
ausgehen, dass sich die Klägerin die Aussagen der sie
behandelnden Ärzte zu eigen machen wollte.
8. Das
Landesarbeitsgericht wird - lediglich - die Würdigung dieses
Gesichtspunkts nachzuholen haben. Dabei wird zu beurteilen sein,
ob die Klägerin psychisch bedingten Stress nur vorgeschoben
oder sich auf Grund wahrnehmbarer Anzeichen tatsächlich in
einer Stresssituation befunden hat, und inwiefern im
letztgenannten Fall eine Gefährdung von Mutter oder Kind gerade
durch die Fortdauer der Beschäftigung bei der Beklagten
hervorgerufen worden wäre. Eine ausschließlich durch die
Schwangerschaft als solche bedingte Stresssituation könnte eine
Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung, nicht aber ein
arbeitsplatzbedingtes Beschäftigungsverbot begründen. Ob es
weiteren Vortrags der Klägerin und einer neuerlichen
Beweiserhebung bedarf, obliegt allein der Beurteilung durch das
Landesarbeitsgericht.
Gelingt
der Klägerin der Beweis eines Beschäftigungsverbots nicht,
wirkt sich dies zu ihren Lasten aus. Wie ausgeführt, hat das
Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass im Rahmen von §
11 Abs. 1 MuSchG für die Richtigkeit des ärztlichen Zeugnisses
letztlich die Arbeitnehmerin beweisbelastet ist.
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