Entscheidung
des Verwaltungsgericht Sigmaringen, Urteil vom 07.11.2002 - 2 K
1794/02 Aus den Gründen:
Die angefochtene Versagung der Aufenthaltsbefugnis ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; er hat einen Anspruch auf erneute
Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis unter Berücksichtigung der
Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Nach § 30 Abs. 5 AuslG darf einem Ausländer,
dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag
zurückgenommen hat, eine Aufenthaltsbefugnis nur nach Maßgabe der Absätze 3
und 4 erteilt werden. Diese Voraussetzungen sind beim Kläger erfüllt.
1. Zwar scheidet die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis
nach § 30 Abs. 3 AuslG
AuslG iVm. der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums Baden-Württemberg über die
aus ausländerrechtliche Behandlung ehemaliger DDR-Vertragsarbeitnehmer aus Angola,
Mosambik und Vietnam vom 18.12.1993 (i.d.F. vom 10.08.1998) aus...
Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach
§ 30 Abs. 3 AuslG i.V.m. der Anordnung des
Innenministeriums nach § 32 AuslG über die Härtefallregelung für ausländische
Familien mit langjährigem Aufenthalts vom 12. Januar 2000 Az.: 4-1340/29
kommt ebenfalls nicht in Betracht. Denn diese Regelung gilt für alleinstehende Personen
und Ehegatten ohne Kinder nur, wenn sie vor dem 1. Januar 1990 eingereist sind
(Ziff.
B.II.3.5 der Anordnung)...
2. Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf erneute
Entscheidung über die Erteilung seiner Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 Abs. 3
AuslG.
Nach § 30 Abs. 3
AuslG AuslG kann einem Ausländer, der unanfechtbar ausreisepflichtig ist,
eine Aufenthaltsbefugnis abweichend von § 8 Abs. 1 AuslG erteilt werden, wenn die
Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG für eine Duldung vorliegen, weil seiner
freiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu
vertreten hat. Dabei müssen die Voraussetzungen für eine Duldung einen doppelten Grund
darin haben, dass sowohl der freiwilligen Ausreise als auch der Abschiebung Hindernisse
entgegenstehen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat (vgl. VGH Baden-Württemberg,
Urteil vom 07.03.1996 13 S 1443/95 -, VBlBW 1996, 309 f.) Maßgeblicher
Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift vorliegen,
ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (BVerwG, Urteil vom 29.07.1993 1 C
25.93 -, BVerwGE 94, 35; Urteil vom 15.02.2001 1 C 23.00 -, BVerwGE 114,
9 = NVwZ 2001, 929).
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 Abs. 3 AuslG sind beim Kläger erfüllt.
Er ist jedenfalls seit Eintritt der Bestandskraft der gegen ihn verfügten
Abschiebungsandrohung unanfechtbar ausreisepflichtig (BVerwG, Urteil vom 15.02.2001,
a.a.O.). Bei ihm liegen auch die Voraussetzungen für eine Duldung im Sinne des § 55 Abs.
2 AuslG vor, da er nicht
im Besitz eines gültigen Passes oder anderweitiger Rückreisepapiere ist, weshalb seine
Abschiebung derzeit was unstreitig ist aus tatsächlichen Gründen
unmöglich ist. Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG
wäre allerdings dann ausgeschlossen, wenn zwar eine Abschiebung mit Mitteln des
Verwaltungszwangs nicht vollzogen werden kann, einer freiwilligen Ausreise des Klägers
Hindernisse aber nicht entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.1997
1 C 3.97 -, BVerwGE 105, 232 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2001
13 S 2171/00 m, InfAuslR 2002, 115; Urteil vom 07.03.1996
13 S 1443/95 -, VBlBW 1996, 309). Zum hier für das Verpflichtungsbegehren
maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht jedoch zur Überzeugung der
Kammer fest, dass der Kläger nicht freiwillig nach Vietnam zurückkehren kann und seiner
Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat... Vor diesem
Hintergrund ist nicht erkennbar, dass sich der Kläger auf legalem Wege die erforderlichen
Rückreisedokumente beschaffen könnte... Denn solche Versuche sind dann nicht mehr
zumutbar, wenn sie von vorneherein aussichtslos sind (BVerwG, Urteil vom 15.02.2001,
InfAuslR 2001, 350; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.06.2001
13 S 370/00 -).
Dieses tatsächliche Hindernis für eine freiwillige
Ausreise bzw. Abschiebung hat der Kläger nicht zu vertreten.
Zum einen kann einem Ausländer dann, wenn die zuständige Ausländerbehörde es
wie hier übernommen hat, für ihn ein die Rückführung ermöglichendes
Ausweisdokument zu beschaffen, mit diesen Bemühungen aber am Verhalten des Heimatstaates
scheitert, grundsätzlich nicht vorgeworfen werden, er haben eigene, ihm zumutbare
Bemühungen unterlassen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2001 13 S
2171/00 - InfAuslR 2002, 115; vgl. auch das Urteil desselben Senats vom 13.06.2001
13 § 370700 -). Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger
die bereits mehrfach beantragte Ausstellung von Rückreisedokumenten vereitelt hätte.
Zwar ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, dass er von Anfang an bei der
Antragstellung hinreichend mitgewirkt hätte. Vielmehr legt ein handschriftlicher Vermerk
in den Unterlagen der Bezirksstelle für Asyl nahe, dass er bei seinem ersten Antrag die
Unterschrift verweigert und damit einer freiwilligen Rückkehr nicht zugestimmt hatte.
Dies kann aber dahinstehen, weil dem Gericht neben den Antragsunterlagen vom
Februar 2002 jedenfalls vollständige ausgefüllte und vom Kläger unterzeichnete
Antragsformulare nach Anlage 1 und 2 des Protokolls zur Durchführung des
Rückübernahmeabkommens vom 20.02.2001 vorliegen, die in die mündliche Verhandlung
eingeführt wurden. Zumindest damit hat der Kläger seiner Mitwirkungspflicht genüge
getan.
b) Der Beklagte ist zu einer erneuten Ermessensentscheidung
verpflichtet, nachdem die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30
Abs. 3 AuslG erfüllt sind und er sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt
hat (§ 114 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hätte berücksichtigen müssen, dass der
Kläger bereits seit sieben Jahren ausländerrechtlich geduldet ist und nicht davon
auszugehen ist, dass das derzeit bestehende Abschiebungshindernis in absehbarer Zeit
entfällt....
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