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Wie weit reicht
die
ärztliche Aufklärungspflicht?
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Der
Bundesgerichtshof fordert in ständiger Rechtsprechung, dass der Patient
vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden muss,
dass er durch hinreichende Abwägung
der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine
Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in
angemessener Weise wahren kann. Auch wenn in der Rechtsprechung regelmäßig
gefordert wird, dass der Patient spätestens am Vortag des Eingriffs über
Risiken aufgeklärt wird, lässt sich der Zeitpunkt nicht generell,
sondern nur unter Berücksichtigung der im Einzelfall gegebenen Umstände
bestimmten. Dabei kommt es natürlich immer auf die konkrete Situation an.
Wenn die Zeit knapp ist, kann die Aufklärung auch anders aussehen. Die ärztliche
Aufklärung von Patienten in lebensbedrohlichen Situationen auf der Intensivstation
über mögliche Nebenwirkungen der verabreichten hochwirksamen Medikamente
darf sich darauf beschränken, dem Patienten bestmöglich die
Bedrohlichkeit seiner Erkrankung zu verdeutlichen und gegebenenfalls
darauf hinzuweisen, dass eine Behandlung mit hochwirksamen und
dementsprechend auch mit einem erheblichen Nebenwirkungspotenzial
behafteten Medikamenten erforderlich ist, hat das Landgericht Aachen 2005
festgestellt. |
Patient
muss vor Zeckenschutzimpfung über alle bestehenden Risiken aufgeklärt
werden
Die
Klägerin begehrt die Zahlung von materiellen Schadensersatz und
Schmerzensgeld sowie die Feststellung des Bestehens einer Ersatzpflicht
betreffend alle weiteren Schäden infolge einer ärztlichen Behandlung
durch den Beklagten vom 17.06.1997. Die Klägerin wirft dem Beklagten
einen Aufklärungsfehler bei einer Zeckenschutzimpfung vor. Das Brandenburgische
OLG (Brandenburgisches OLG vom 08.03.2007, Az. 12 U 186/06) gab dem
Anspruch nicht statt: Vor Durchführung eines
Eingriffs ist der Patient über die mit diesem verbundenen Risiken
ordnungsgemäß aufzuklären, um unter Wahrung seiner
Entscheidungsfreiheit wirksam in den Eingriff einwilligen zu können. Die
Aufklärung hat dem Patienten einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von
der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastung zu vermitteln, die
sich für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung aus der
Behandlung ergeben können. Vor Durchführung einer
Zeckenschutzimpfung ist konkret über das Risiko des Auftretens einer entzündlichen
Reaktion des Gehirns bzw. von Nervenentzündungen aufzuklären, damit der
Patient entscheidungsfrei in den Eingriff einwilligen kann. Der
beklagte Arzt hat diesbezüglich vorgetragen, die Klägerin hätte sich
bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die Nebenwirkungen des Impfstoffes
angesichts des geringen Risikos einerseits und der konkreten Gefahr einer
Erkrankung aufgrund eines Zeckenbisses im anstehenden Urlaub andererseits
für die Durchführung der Impfung entschieden. Der Klägerin ist es nicht
gelungen diesen Einwand des Beklagten zu entkräften. Das
Vorliegen einer hypothetischen Einwilligung führt schließlich zu einem
vollständigen Ausschluss von Schmerzensgeldansprüchen. Das gilt unabhängig
davon, dass der Arzt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten verletzt
hatte. |
Aktuell:
Zur Aufklärungspflicht
von Ärzten
Ein Krankenhaus muss 20 000
Euro an einen Mann zahlen, der vor einer Operation nicht rechtzeitig über
die Risiken aufgeklärt worden ist. Der Kläger ist unter anderem bei dem
Eingriff impotent geworden. Die Krankenhausbetreiber konnten demnach nicht
beweisen, dass die Ärzte den Mann mindestens am Vortag der
Leistenbruchoperation informiert hatten. Eine Aufklärung am Tag des
Eingriffs sei nicht ausreichend, entschied das Oberlandesgericht Koblenz (Az.:
5 U 676/05). Der Kläger war mit Schmerzen in die Ambulanz des
Krankenhauses gekommen. Am nächsten Tag wurde er operiert. Das sei mit
erheblichen Risiken verbunden gewesen, weil der Kläger zwei Mal
voroperiert war. Die Richter erklärten, ein Patient müsse so rechtzeitig
über die Risiken eines Eingriffs aufgeklärt werden, dass er die Vor- und
Nachteile abwägen könne und damit sein Selbstbestimmungsrecht gewahrt
werde. Eine Aufklärung am Tag der Operation sei - abgesehen von Notfällen
- zu spät. Die Richter verwiesen dabei auf die einschlägige
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. |
Aktuell: Arzt muss selbst dann
aufklären, wenn der Patient auf Operation drängt
Drängt
ein Patient den Arzt zu einer Operation, muss er dennoch zuvor umfassend
über Risiken aufgeklärt werden (Oberlandesgericht Koblenz - Az.: 5
U 1610/04). Unterlässt der Arzt die Aufklärung, so erfolgt die
Operation rechtswidrig. Das Gericht gab mit diesem Urteil der
Schadenersatz- und Schmerzensgeldklage der Angehörigen einer gestorbenen
Patientin statt. Der Hausarzt hatte die Frau auf deren Drängen hin in ein
Krankenhaus eingewiesen, damit ihr dort ein spezieller Blasenkatheter
gelegt werden konnte. Der Eingriff brachte nicht den gewünschten Erfolg,
so dass ein zweiter Urologe einige Tage später einen neuen Katheter legen
musste. In der Folgezeit kam es zu einer Bauchfellentzündung, an deren
Folgen die Frau starb. Unklar blieb, welcher der beiden Eingriffe die Entzündung
verursacht hatte. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass beide Eingriffe
rechtswidrig gewesen seien und somit die beiden Ärzte haften müssten.
Denn die Patientin sei vor beiden Eingriffen nicht auf deren Risiken
hingewiesen worden. Daher ist ihre Zustimmung zu den Operationen
unwirksam. Unerheblich war es nach Auffassung des Gerichts, dass die
Patientin auf den operativen Eingriff gedrängt hatte.
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Aktuell:
Vor Schönheits-Operation schonungslose Aufklärung nötig
Schönheitschirurgen
müssen ihre Patienten schonungslos über mögliche Gefahren von
Operationen aufklären (Oberlandesgericht Hamm 3 U 35/05). Im konkreten
Fall verurteilte das OLG Hamm einen Chirurgen zur Zahlung eines
Schmerzensgeldes von 10 000 Euro an eine Patientin. Die 60 Jahre alte
Frau hatte sich mehrmals Fett absaugen lassen, wodurch sich Dellen in der
Haut gebildet hatten. Über dieses Risiko sei sie nicht genügend aufgeklärt
worden. Das Oberlandesgericht verstärkte damit ein Urteil des
Landgerichtes Essen, das auf 3000 Euro Schmerzensgeld gelautet hatte. Die
60-Jährige hatte sich bei dem Chirurgen mehreren Operationen unterzogen,
unter anderem um ihre so genannten Reiterhosen - eine Fettansammlung an
den Oberschenkeln - beseitigen zu lassen. Der Arzt soll ihr versprochen
haben, ihre Haut werde nach dem Eingriff aussehen wie die einer 30-Jährigen.
Eine Aufklärung darüber, dass sich beim Absaugen zwar das Volumen
reduziert, sich aber Dellen bilden können, habe es nur durch ein Formular
gegeben. Dies sei nicht ausreichend. Ferner sei nicht über die Gefahren
des Rauchens im Zusammenhang mit Schönheitsoperationen aufgeklärt
worden.
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Ärzte
müssen ihre Patienten auf erhebliche Risiken eines verordneten
Medikaments hinweisen
Ärzte
müssen ihre Patienten auf erhebliche Risiken eines verordneten
Medikaments hinweisen und dürfen sich nicht nur auf die Informationen im
Beipackzettel verlassen (Bundesgerichtshof (BGH) Aktenzeichen: VI ZR
289/03 vom 15. März 2005). Eine 30-jährige Raucherin hatte im Februar
1995, zwei Monate nach Beginn der Einnahme eines Verhütungsmittels, einen
Schlaganfall erlitten. Grund war die Wechselwirkung zwischen dem Nikotin
und dem Medikament. Ihre Gynäkologin hatte sie nicht auf die Risiken des
Medikaments für Raucherinnen in ihrem Alter hingewiesen. Die Frau
verklagte die Ärztin deshalb auf Schadenersatz. Zwar wurde in den
Gebrauchsinformationen Frauen ab 30 ausdrücklich geraten, bei Einnahme
des Mittels das Rauchen aufzugeben. Denn es bestehe ein erhöhtes Risiko,
einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden. Wegen
der möglichen schwer wiegenden Folgen hätte die Gynäkologin aber selbst
nach Auffassung des Gerichts bei der Verordnung des Medikaments ausdrücklich
auf die erheblichen Gefahren hinweisen müssen. Nur dann hätte
die Frau ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben und entscheiden können,
entweder auf das Medikament oder auf das Rauchen zu verzichten. Der BGH
hob das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock, das die Klage abgewiesen
hatte, daher auf und verwies den Fall zur neuen Verhandlung zurück.
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Ärzte einer Gemeinschaftspraxis
haften gemeinschaftlich für Kunstfehler
Für einen Kunstfehler, der einem
in einer Gemeinschaftspraxis tätigen Arzt unterläuft, haften grundsätzlich
alle dort beschäftigten Ärzte. Dies gilt nach dem Oberlandesgericht
Zweibrücken (Az.: 5 U 11/03) auf jeden Fall dann, wenn alle Ärzte
dieselbe Facharztbezeichnung führen. Der Behandlungsvertrag komme dann
mit allen in der Gemeinschaftspraxis tätigen Ärzten zu Stande. Das
Gericht gab der Schadenersatzklage eines inzwischen 22-jährigen Mannes
statt. Bei der Geburt des Klägers kam es 1983 zu Komplikationen, die zu
bleibenden Gesundheitsschäden führten. Die Mutter des Klägers hatte
sich zur Behandlung in eine ärztliche Gemeinschaftspraxis von vier Gynäkologen
begeben, die auch gemeinsam als so genannte Belegärzte im Krankenhaus tätig
waren. Nachdem das Landgericht
Kaiserslautern zwei Ärzte wegen fehlerhafter Behandlung zum Schadenersatz
verurteilt hatte, wollte der Kläger auch die übrigen Mediziner der
Praxis in Mithaftung nehmen - und hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht erläuterte,
dass eine gemeinsame
zivilrechtliche Haftung bestehe, auch wenn die Ärzte die Mutter nicht
selbst behandelt hätten. Das persönliche Verschulden sei allenfalls
unter strafrechtlichen Gesichtspunkten von Bedeutung. Das Urteil ist noch
nicht rechtskräftig und liegt wegen der grundsätzlichen Bedeutung der
Angelegenheit dem Bundesgerichtshof vor.
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Aktuell: Vioxx Für
den tatsächlichen Umfang eines ärztlichen Aufklärungsgesprächs lässt sich keine
absolute Regel angeben.
Die ärztliche Aufklärungspflicht
ist eine den behandelnden Arzt treffende Pflicht, den Patienten über
Dies ist je nach Einzelfall zu entscheiden. Das soll dem
Patienten die Möglichkeit geben, sein verfassungsrechtlich gewährleistetes
Selbstbestimmungsrecht auszuüben, d. h. der Patient behält auch im Krankheitsfall die
Verfügungshoheit über seinen eigenen Körper und kann nur voll aufgeklärt (im
Bewusstsein sämtlicher mit dem Eingriff in Zusammenhang stehenden Behandlungsrisiken
sowie allfälliger Behandlungsalternativen) in die Behandlung einwilligen.
Das Aufklärungsgespräch ist Sache des Arztes. Eine
Delegation an eine Krankenschwester, Arzthelferin oder einen Krankenpfleger scheidet
aus. Ist der Patient bereits von einem anderen Arzt aufgeklärt worden, so muss er nicht
erneut aufgeklärt werden. Gerade im Bereich der Inneren Medizin werden viele Patienten
mit chronischen Erkrankungen (wie z.B. Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie oder
rheumatischen Erkrankungen) ständig (haus)ärztlich betreut. Hier ist mit zunehmender
Erkrankungs- und Behandlungsdauer von einer Qualifizierung des Patienten auszugehen. Der
Arzt muss sich jedoch über die früher erfolgte Aufklärung Gewissheit verschaffen, wenn
er auf eine eigene Aufklärung verzichten will.
Die Art und Weise der Aufklärung ist Bestandteil der
ärztlichen Therapiefreiheit. Der Patient soll schonend aufgeklärt werden, ohne
dass die Risiken verharmlost werden. Grundsätzlich sollte die Aufklärung durch ein
Aufklärungsgespräch stattfinden.
Ein Arzt haftet ohne Einschränkung, wenn er dem
Patienten über einzelne Risiken Kenntnis verschafft, sich aber neben einem mitgeteilten
ein zusätzliches aufklärungsbedürftiges Risiko verwirklicht, über das keine
Aufklärung erteilt worden war. Die Aufklärung über ein später eingetretenes Risiko
entbindet den Arzt also nicht seiner Haftung, wenn sich außerdem ein anderes Risiko,
über das keine Aufklärung erfolgte, verwirklicht.
Hat der Arzt den Patienten nicht über alle spezifischen
Risiken aufgeklärt, realisiert sich aber ein anderes nicht aufklärungsbedürftiges
Risiko, so wird der Arzt ausnahmsweise von der Haftung freigestellt, wenn er dem Patienten
wenigstens eine Grundaufklärung über Art und Schwere des Eingriffs unter Einbeziehung
des schwersten Risikos erteilt hat und der eingetretene Schaden hinter diesem Risiko
deutlich zurückbleibt.
- Je mehr der Patient nachfragt, um so umfangreicher wird
das Aufklärungsgespräch. Der Patient soll im Großen und Ganzen erfahren, was mit ihm
geschehen wird. Nähere Einzelheiten und ins Detail gehende Vorgehensweisen werden dann
mitgeteilt, wenn der Patient sie hören möchte und danach fragt.
- Je größer das bereits vorhandene Wissen des Patienten
über die Krankheit und mögliche Therapien ist, desto geringer fällt der Umfang des
Aufklärungsgesprächs aus. Auch wenn der Patient bereits lange Zeit an dieser Krankheit
leidet und therapiert wird und keine umfassende Aufklärung erforderlich ist, muss der
Arzt durch Fragen sicherstellen, dass der Patient über seine Situation richtig informiert
ist. Dasselbe trifft auf Patienten zu, die bereits aus beruflichen Gründen Vorkenntnisse
haben, wie z. B. Ärzte oder Krankenschwestern. Über allgemeine Komplikationen, über die
auch der medizinisch nicht gebildete Laie Bescheid wissen kann, wie z.B. Wundinfektionen,
Narbenbrüche, Embolien etc., muss der Arzt hier nicht eigens informieren.
Der Arzt muss dafür sorgen, dass der Patient die von ihm gegebene Information versteht
und beispielsweise medizinische Fachbegriffe für Laien verständlich erklärt werden.
- Die Aufklärung muss an körperliche Merkmale und die
persönliche Lebenssituation angepasst sein.
Das Risiko eines etwaigen Stimmverlusts ist z.B. für einen Opernsänger
oder Rockstar wesentlich
gravierender als für einen Rennfahrer und muss deshalb um so umfangreicher erläutert
werden.
- Je schwerer die Krankheit ist, desto mehr muss der Arzt
auf die Verfassung des Patienten Rücksicht nehmen.
Wird durch die Aufklärung lediglich die allgemeine Stimmungslage herabgedrückt, handelt
es sich dabei um Nachteile, die in Kauf genommen werden müssen. Wird dagegen die
Gesundheit ernsthaft bedroht, kann der Arzt die Information über das volle Ausmaß der
Krankheit zurückhalten. Dies kann z.B. bei Krebs der Fall sein.
- Gibt es mehrere Alternativtherapien, die verschiedene
Risiken und Erfolgschancen aufweisen, muss die Aufklärung besonders umfassend sein.
Da dem Patienten in diesem Fall echte Wahlmöglichkeiten offen stehen, muss er genauestens
über eventuelle Komplikationen und Heilungschancen der einzelnen Alternativen informiert
werden.
- Je notwendiger die Behandlung ist, desto weniger
umfangreich muss die Aufklärung sein.
Die umfangreichste Aufklärungspflicht besteht bei nicht notwendigen Behandlungen, wie z.
B. einer Schönheitsoperation. Ein bewusstloses Unfallopfer dagegen, das der Arzt nur
durch eine sofortige Behandlung am Leben zu erhalten vermag, kann und braucht nicht
aufgeklärt zu werden.
- Je schwerer die Behandlung ist und je mehr etwaige Risiken
den Patienten langfristig belasten werden, desto ausgedehnter und umfassender muss die
Aufklärung des Arztes erfolgen.
- Je weiter sich der Arzt vom schulmedizinischen Standard
entfernt, um so umfassender muss die Aufklärung geschehen, damit der Patient sich auch
über weniger anerkannte Behandlungsmethoden ein Bild machen kann.
Will ein Arzt beispielsweise ein alternatives Heilverfahren anwenden, muss er diese
Möglichkeit besonders gut erläutern. Dasselbe gilt, wenn der Arzt ein Verfahren
einsetzen möchte, das von der Schulmedizin als veraltet oder gar als überholt angesehen
wird.
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Bittere
Pillen Missachtet der behandelnde Arzt das
Gebot zur Aufklärung seines Patienten, verstößt er gegen eine seiner vertraglichen
Sorgfaltspflichten. Dadurch wird die
Behandlung insgesamt rechtswidrig, sodass er sich - wie bei einem tatsächlichen
Behandlungsfehler - dem Vorwurf eines solchen aussetzt. |
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