Strafbarkeit der
Opfer?
Die Juristen Tarek Abdallah, Björn Gercke und Peter
Reinert gingen statt dessen der brisanten Fragestellung nach, ob hier nicht Täter und Opfer
verwechselt werden. Könnten sich nicht die Kopierschützer durch die weit reichenden
Verteidigungsanlagen um ihr Datenangebot herum strafbar machen?
Gibt es auf der Audio-CD einen Kopierschutz, kann
bekanntlich schon das Abspielen in üblichen PCs zur Qual werden. "Cactus Data
Shield" und "Key2Audio" erkennen die Datenträger nicht, lesen sie nicht
richtig und können selbst Hifi-Anlagen beschädigen ( Kopierschutz
um jeden Preis?). In PC-Laufwerken kann die "Kopiersperre" zur
"Abspielsperre" werden. Der Kopierschutzmechanismus ist leider noch zu
"dumm", zwischen Abspielen, Kopieren für Privatzwecke oder der Herstellung
illegaler Massenkopien zu unterscheiden. Ausgangspunkt für eine Strafbarkeit der
Musikindustrie, die sich mit dem Kopierschutz schützen will und womöglich das Kind mit
dem Bade ausschüttet, ist § 303 a des Strafgesetzbuches:
(1) Wer rechtswidrig Daten (§ 202a Abs. 2) löscht,
unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Zwar reicht für den Tatbestand dieser Strafrechtsnorm noch
nicht die schlichte Veränderung von Daten allein aus. Aber nach Sichtung der
verschlungenen Strafrechtsdogmatik könnte der restriktiv zu interpretierende Tatbestand
des § 303a StGB zumindest dann erfüllt ist, wenn der Anspruch des Erwerbers einer
Musik-CD auf die ungehinderte Nutzung der CD bzw. auf Anfertigung von Kopien für private
Zwecke vereitelt wird.
Zum Anspruch auf Privatkopien
Dieser Anspruch des Nutzers ergibt sich aus dem
novellierten § 53 UrhG auch für Zwecke der digitalen Vervielfältigung. Danach steht dem
User das Recht auf freien Werkgenuss zu: Er kann also mit dem urheberrechtlich
geschützten Werk im Rahmen seiner Privatnutzung so verfahren, wie immer er es möchte.
Mit dem § 53 UrhG verzichtete der Gesetzgeber auf die Normierung von Verbotstatbeständen
und erklärte die Anfertigung von Kopien zum privaten Gebrauch für zulässig. Als
Kompensation für die Urheber gibt es einerseits die Geräteabgabe gegen die Hersteller
von Vervielfältigungsgeräten, zum anderen die Leerkassettenabgabe gegen die Hersteller
von Bild- und Tonträgern.
Das Gesetz
zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft wird maßgeblich von
dem Versuch geprägt, den Interessenkonflikt zwischen Käufern und Musikindustrie im
Zeitalter digitaler Kopiertechniken gerecht zu werden. Im Juli diesen Jahres billigte der
Bundesrat das Gesetz, was Bundesjustizministerin Brigitte Zypries so kommentierte: Jetzt können die Regelungen zum Kopierschutz und zum Umgang mit geistigem
Eigentum im Internet endlich in Kraft treten. Das ist vor allem für die Musik- und
Filmwirtschaft von eminenter Bedeutung.
Und wo bleiben die Interessen der Käufer? Zuvor hatte es
zwischen Bundesrat und Bundestag Streit im Vermittlungsausschuss über die Privatkopien
gegeben. Die sind jetzt nur zulässig, soweit hierfür eine nicht rechtswidrig
hergestellte Vorlage verwendet wird. "Wer - ganz gleich ob gewerblich oder privat,
entgeltlich oder unentgeltlich - Musik, Filme oder Computerspiele im Internet zum Download
anbietet und verbreitet, ohne hierzu berechtigt zu sein, macht sich strafbar",
erläuterte die Bundesjustizministerin die zukünftige Rechtslage.
Inzwischen wird von einigen Juristen aber sogar das Recht,
überhaupt Privatkopien anzufertigen, in Abrede gestellt. Angeblich würde dieses Recht
dem Grundgedanken des Urheberrechts widersprechen, dem Rechtsinhaber die
Erwerbsmöglichkeiten aus seinen Werken zu sichern. Aber diese Auffassung wird weder durch
das Gesetz noch durch die Gesetzesgeschichte bestätigt. Die der Reform zu Grunde
liegenden EG-Richtlinie (2001/29/EG vom 22. Mai 2001) legt in Art. 6 IV Unterabsatz 2 den
Mitgliedstaaten sogar nahe, dass geeignete Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn die
Möglichkeit, Privatkopien anzufertigen, durch technische Schutzmaßnahmen beeinträchtigt
wird.
Nichts anderes bestimmte auch die Motive des nationalen
Gesetzgebers bei der Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft. Auch
danach soll die digitale Privatkopie zulässig sein. Allerdings werden nun in § 95a UrhG
technische Schutzvorrichtungen, die das Kopieren verhindern sollen, weit reichend
geschützt (Die rechtlich geschützte Kopierschutz-Gesellschaft).
Auch wenn das widersprüchlich erscheint und demnächst auf
eine undurchsichtige Rechtsprechung stoßen könnte, wenn der Gesetzgeber keine Abhilfe
schafft, verbleibt es mit der Neuregelung eindeutig beim Schutz der Privatkopie. Zwar
basteln Juristen auch an einer musikindustriefreundlichen Interpretation des novellierten
§ 53 UrhG, aber das Recht auf Privatkopien kann nicht in das Belieben der Industrie
gestellt werden.
Entscheidend ist nach der eingangs genannten
Rechtsauffassung folgendes: Da die §§ 54 ff. UrhG, die das Abgabensystem festlegen,
nicht vom Gesetzgeber kassiert worden sind, kann dann nicht dem Urheber freigestellt
werden, ob er nun durch den Kopierschutz darüber entscheidet, ob Privatkopien möglich
sind oder nicht. Das könnte aber auch die Crux der vorliegenden Argumentation sein.
Wer eine Vinylplatte herstellt, kann auch nicht dazu
gezwungen werden, nur noch digitale Aufnahmen zu verkaufen, damit überhaupt die
Möglichkeit der Herstellung einer verlustfreien Privatkopie möglich ist. Es ist nicht
ersichtlich, dass es eine Pflicht des Urhebers gibt, Daten in jeder Weise zur Verfügung
zu stellen. Vor dem Kauf weiß der Käufer zudem regelmäßig, dass die
Abspielmöglichkeiten und Möglichkeiten, Privatkopien anzufertigen, eingeschränkt sein
könnten. Für die eingangs genannten Autoren erfüllt die Anwendung der aktuellen
Kopierschutzmaßnahmen auf Audio-CDs dagegen den Straftatbestand der Datenveränderung des
§ 303a StGB. Tatbestandsmerkmal wäre das Unterdrücken von Daten, da der Käufer die
Daten nicht mehr in dem vom Urheberrecht vorausgesetzten Umfang verwenden kann.
Unbefriedigende Gesetzeslage
Darf der Käufer also doch zu weit reichenden
Umgehungsmaßnahmen des Kopierschutzes greifen, um sein mehr oder minder gutes Recht zu
realisieren? Letztlich hieße das, dass der Wertungswiderspruch des Gesetzes zum Risiko
des Verbrauchers wird, der bei Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen zum eigenen,
privaten Gebrauch in §§ 108 b, 111 a UrhG zwar nicht strafbar ist. Entscheidend ist
jedoch, dass zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche dem Glück des
Privatkopierers ein schnödes Ende bereiten könnte.
Bejaht man die Strafbarkeit, wartet vermutlich weitere
Arbeit auf den Gesetzgeber, wenn er die Rechtsprechung nicht in Konfusion stürzen will.
Denn der Käufer einer Audio-CD, der zum Opfer strafbaren Verhaltens der Musikindustrie
wird, muss dieses Verhalten nicht dulden. Wenn das aber zulässig ist, kann es nach dem
Prinzip der Einheit der Rechtsordnung nicht rechtmäßig sein, dass hier die
Sanktionswirkung über zivilrechtliche Ansprüchen vermittelt wird. Mit anderen Worten:
Wenn die Musikindustrie strafbar handelt, kann der Nutzer, der sich dagegen wehrt, nicht
auf dem Umweg über das Zivilrecht dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Scheitert jedoch der Schutz von Kopiersperren am
Strafrecht, wird dann auch die Frage virulent, in welchem Umfang sich die Hersteller von
Kopierprogrammen einschließlich solcher, die den Kopierschutz umgehen, vulgo: knacken,
strafbar machen sollten bzw. ihrerseits zivilrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt sein
sollten. Allerdings löst diese Überlegung längst nicht das Problem, weil die
Verwendungsweisen solcher Kopiersoftware in einer unbestimmten Zahl von Fällen auch bei
der Anfertigung illegaler Massenkopien eingesetzt werden können.
Das Gesetz in seiner jetzigen Fassung ist unbefriedigend,
weil es die urheberrechtlichen Ungereimtheiten nicht auflöst, sondern neue
Rechtsunsicherheiten schafft. Diverse Hersteller der Softwareindustrie haben bereits
Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz angekündigt, das nach Auffassung von einigen
Juristen ohnehin verfassungswidrig sei. Insofern wird es für die weitere
Ausgestaltung der Rechtslage darauf ankommen, den Schutz der Privatkopie zu verteidigen,
ohne hier große Teile der Käufergemeinde zu verunsichern oder gar zu
kriminalisieren (Originaltext auf telepolis.de).
Der Streit geht weiter: "Das Institut für
Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) bezieht in einem Positionspapier Stellung gegen die
Musikindustrie und andere Rechteinhaber." Vgl. weiter unter heise.de
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