Das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1231/04 - 1 BvR 710/05 – 1 BvR 1184/08)
zu der Frage von
Altersverifikationssystemen im Oktober 2009:
Soweit die Beschwerdeführer die angegriffenen
gesetzlichen Altersverifikationspflichten im Hinblick auf die
Vielzahl frei verfügbarer pornografischer Angebote im Internet
bereits für ungeeignet halten, Minderjährige vor eventuellen
negativen Einflüssen derartiger Darstellungen zu schützen, ist zu
beachten, dass das Bundesverfassungsgericht in ständiger
Rechtsprechung die Eignung eines Gesetzes zur Erreichung des von ihm
angestrebten Zwecks bereits dann bejaht, wenn dieser durch die
Regelung wenigstens gefördert wird. Den Verfassungsbeschwerden
konnte vom BVerfG aber nicht entnommen werden,
warum dies hier nicht der Fall sein sollte. Es liegt vielmehr auf
der Hand, dass die Verfügbarkeit pornografischer Angebote im
Internet - zumal für nur der deutschen Sprache mächtige Minderjährige
- durch die gesetzlich vorgeschriebene Sicherstellung des ausschließlichen
Erwachsenenzugangs zumindest verringert werden kann.
Soweit die Verfassungsbeschwerden in Zweifel
ziehen, dass einfache Pornografie grundsätzlich als jugendgefährdend
angesehen werden könne und sich deshalb gegen die Erforderlichkeit
der angegriffenen Vorschriften über die Zugangsbeschränkung zu
pornografischen Darbietungen wenden, verkennen sie nicht, dass dem
Gesetzgeber hinsichtlich der jugendgefährdenden Wirkung eines
Mediums bei einer wissenschaftlich ungeklärten Situation eine
Einschätzungsprärogative - d.h. der Gesetzgeber darf
das (letzt)entscheiden - zukommt. Sie machen vielmehr geltend, dass die Voraussetzungen dieser Prärogative
entfallen seien, weil sich seit der zitierten Senatsentscheidung die
Forschungslage zu den Auswirkungen von Pornografie auf Minderjährige
so weit verändert habe, dass heute eine Gefährdung der Jugend
durch pornografische Darstellungen ausgeschlossen werden könne oder
sich der Gesetzgeber jedenfalls nicht mehr auf den unklaren
Forschungsstand berufen dürfe, ohne selbst für seine weitere Klärung
Sorge getragen zu haben. Diese Behauptung wird indes nicht
hinreichend substantiiert begründet. Keiner der Verfassungsbeschwerden ist zu
entnehmen, dass die von dem Gesetzgeber seinerzeit als noch nicht
abschließend geklärt angesehene Frage der möglichen schädlichen
Auswirkungen einer Konfrontation Minderjähriger mit pornografischem
Material mittlerweile durch einen gesicherten Kenntnisstand der für
die Beurteilung dieser Problematik zuständigen Fachwissenschaften -
insbesondere der Medienwissenschaft unter Einschluss der
Medienwirkungsforschung, der Entwicklungs- und Sozialpsychologie,
der Pädagogik und der Kriminologie - in eindeutiger Weise
beantwortet worden wäre. Ebenso wenig genügt der Einwand, der Gesetzgeber
habe sich nicht genügend um weitere Aufklärung des
Forschungsstandes bemüht, den Begründungsanforderungen.
Zwar können
sich die Verfassungsbeschwerden hierbei im Ausgangspunkt auf die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu
Beobachtungspflichten des Gesetzgebers infolge auf unsicherer
Tatsachengrundlage getroffener Regelungen berufen. Jedoch ist ihr Vortrag in tatsächlicher Hinsicht unzureichend.
Die Beschwerdeführer haben die Behauptung der gesetzgeberischen Untätigkeit
nicht hinreichend substantiiert. So fehlt es namentlich an jeglicher
Auseinandersetzung mit den seit der zitierten Senatsentscheidung aus
dem Jahr 1990 durchgeführten einschlägigen Gesetzgebungsverfahren und deren
Vorbereitung. Die Beschwerdeführer berücksichtigen in ihrem
Vortrag insbesondere nicht, ob beziehungsweise wie weit sich der
Deutsche Bundestag bei seinen Vorarbeiten zu dem Gesetz zur Änderung
der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27.
Dezember 2003, durch das die Vorschrift des § 184c a.F. (jetzt § 184d
n.F.) StGB in das Strafgesetzbuch eingefügt wurde, erneut mit der
Frage der Schädlichkeit einfacher Pornografie für Minderjährige
befasst hat. Außerdem lassen die Verfassungsbeschwerden gänzlich
unerörtert, dass der Deutsche Bundestag im Jahr 1995 die
Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und
Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“
eingesetzt hatte, die sich unter anderem mit Fragen des
Jugendschutzes im Internet befasst hat (vgl. BTDrucks 13/11004). |