Neuerungen
im Wohnungseigentumsgesetz
Mit
Wirkung zum 1. Juli 2007 sind die umfangreichsten Änderungen seit Einführung
des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) 1951 in Kraft getreten. Ziel
der Novelle waren vor allem die Erweiterung der gesetzlichen
Beschlusskompetenzen der Eigentümergemeinschaft sowie die Zuweisung des
Wohnungseigentumsverfahrens zur Zivilprozessordnung (ZPO). Bislang war
dieses Verfahren dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit (FGG) zugewiesen. Anlass
für das Tätigwerden des Gesetzgebers waren zwei
Grundsatzentscheidungen des BGH aus dem Jahr 2000 (sog.
„Jahrhundertentscheidung“) und 2005 (sog.
„Jahrtausendentscheidung“).
Nach
der „Jahrhundertentscheidung“ waren vereinbarungs- und gesetzesändernde
Beschlüsse nichtig, sofern nicht die Gemeinschaftsordnung eine
spezielle Öffnungsklausel für derartige Beschlüsse vorsah. Mit der
Novelle wurden die gesetzlichen Beschlusskompetenzen erweitert. Beschlüsse
nach § 10 Abs. 4 WEG müssen nicht ins Grundbuch eingetragen werden, um
gegenüber Sonderrechtsnachfolgern wirken zu können. Der
Sonderrechtsnachfolger soll vor ihm unbekannten Beschlüssen durch die
neu eingeführte Führung einer Beschluss-Sammlung nach § 24 Abs. 7f.
WEG geschützt werden.
Anders
verhält es sich mit Vereinbarungen
gem. § 10 Abs. 3 WEG. Vereinbarungen können die Wohnungseigentümer über
ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von
Vorschriften des WEG regeln. Erforderlich für die Wirkung gegenüber
dem Sonderrechtsnachfolger ist bei Vereinbarungen jedoch die Eintragung
in das Grundbuch.
Für
die Wohnungseigentümergemeinschaft ist der Beschluss
jetzt bei den folgenden Materien die statthafte Entscheidungsform, vgl.
§ 23 WEG:
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§
12 Abs. 4 WEG: Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung nach §
12 Abs. 1 WEG.
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§
16 Abs. 3 WEG: Verteilung von und Verwaltungs- und Betriebskosten.
Das sind all jene Kosten, die nicht unmittelbar gegenüber Dritten
abgerechnet werden können, also nicht etwa Energiekosten.
-
§
16 Abs. 4 WEG: Verteilung der Kosten von Instandhaltungs-,
Instandsetzungs- und Baumaßnahmen. Die Regelung bezieht sich jedoch
ausschließlich auf Einzelfälle. Eine generelle Kostenverteilung
kann nicht beschlossen werden. Damit hat der Gesetzgeber zugleich
den in der Praxis bedeutsamen Sachverhalt der überschießenden
Instandsetzung neu geregelt. Beschlüsse über Instandsetzungsmaßnahmen,
die auf Grund einer fehlerhaften Bedarfsanalyse gefasst wurden,
waren nach bisher herrschender Meinung nichtig, weil sie gegen die
gesetzliche Kostenregelung verstießen. Da nunmehr eine Entscheidung
für den Einzelfall legitim ist, sind auf fehlerhafter Grundlage
ergangene Beschlüsse nicht zugleich nichtig, sondern wirksam und
allenfalls anfechtbar.
-
§
21 Abs. 7 WEG: Art und Weise von Zahlungen, der Fälligkeit und der
Folgen des Verzugs sowie der Kosten für eine besondere Nutzung des
gemeinschaftlichen Eigentums. Anwendungsfall ist beispielsweise die
Einführung des Lastschriftverfahrens.
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§
22 Abs. 2 WEG: Anpassung des Gemeinschaftseigentums an den Stand der
Technik durch Modernisierungsmaßnahmen zwecks Erhaltung des
Verkehrswertes der Anlage.
Die
Gesetzesnovelle kodifiziert das Urteil des BGH zur Teilrechtsfähigkeit
in seinen wesentlichen Zügen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann
nunmehr gem. § 10 Abs. 6 WEG Rechte gegenüber Dritten und den
Wohnungseigentümern begründen sowie Pflichten eingehen. Sie kann alle
gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer wahrnehmen und
aktiv- bzw. passivlegitimiert vor Gericht geltend machen. Die
Wohnungseigentümer haften anteilig unmittelbar gegenüber Dritten für
Verbindlichkeiten, die während der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft fällig
geworden sind. Allein ihre Haftung wegen nicht ordnungsgemäßer
Verwaltung im Innenverhältnis ist beschränkt auf ihren Anteil, § 10
Abs. 8 S. 4 WEG. Vertretungsbefugt nach außen ist der Verwalter. Dies
ist mit Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit nur konsequent. Gemäß §
27 Abs. 3 WEG vertritt der Verwalter die teilrechtfähige Gemeinschaft.
Nach § 27 Abs. 2 WEG kann der Verwalter die Wohnungseigentümer als
Mitberechtigte am gemeinschaftlichen Grundstück vertreten.
Gemäß
§ 10 Abs. 7 WEG gehört das Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer. Ein Insolvenzverfahren über das Verwaltungsvermögen
findet nicht statt, § 11 Abs. 3 WEG.
Die
Überführung des WEG-Verfahrens (insbesondere der Anfechtungsklage nach
§§ 44 - 50 WEG) aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit in
die ZPO ist im Wesentlichen Folgendes relevant:
Im Verfahren gilt die Dispositionsmaxime und nicht mehr der
Amtsermittlungsgrundsatz. Es muss Beweis angetreten werden.
Verspätetes Vorbringen kann nunmehr präkludiert sein. Entscheidungen
durch Versäumnisurteil sind möglich. Anders als im FGG-Verfahren
bietet die ZPO die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes durch
einstweilige Verfügung oder Arrest sowie die Rechtsmittel der Berufung
und der Revision.
Als
in der Praxis relevante Änderung ist die Verbesserung des Rangs in der
Zwangsvollstreckung anzusehen. Erfolgt die Zwangsvollstreckung in das
Wohnungseigentum, so erhalten Beitragszahlungsansprüche (§§ 16 Abs.
2, 28 Abs. 2, 5 WEG) und Rückgriffsansprüche der Wohnungseigentümer
ein Vorrecht im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG. |