Was
heißt Verfolgungsbetreuung? Unter
diesem Stichwort fasst man Praktiken zusammen, jede Gelegenheit zur Verhängung einer
Sperrzeit zu ergreifen. Angeblich soll es in Arbeitsämtern bereits Hitlisten
geben, aus denen sich ergibt, welche Mitarbeiter die meisten Sperrzeiten verhängt.
In der Arbeitsvermittlung verschärft sich der Umgangston
mit den Arbeitslosen, in der Leistungsabteilung brechen die Kolleginnen und Kollegen unter
der Flut von Leistungseinstellungen und Sperrzeitbescheiden zusammen. Die Frage, ob
berechtigte oder unberechtigte Sperrzeit ist vollkommen unerheblich, in jedem Fall aber
störend und somit unerwünscht. Die Techniken sind bekannt: Es werden kurzfristig
Gruppeninformationen oder Einzelgespräche angesetzt, zu denen eingeladene Arbeitslose
nicht oder zu spät erscheinen. Rechtsfolge: Leistungsentzug. Angeblich wird bei den
Arbeitsämtern streng nach Plan vorgegangen, d.h. Arbeitslosengeldempfänger werden
solange verfolgt, bis man ihnen das Geld streichen kann. Die Jobvermittlung bleibt dann
auf der Strecke. Arbeitsvermittler räumen ein, dass die
Ämter dazu angehalten worden sind, und das auch durchführen. Man versucht durch häufige
Einladungen die Leute herauszufiltern, die etwa in den Urlaub gefahren sind und sich im
Arbeitsamt nicht abgemeldet haben oder sonst nicht bereit sind zu springen, wenn das
Arbeitsamt pfeift. Arbeitslose werden zu zweifelhaften (Gruppen-)
Informationsveranstaltungen geladen werden, in der unausgesprochenen Hoffnung,
dass Säumige ihr Arbeitslosengeld riskieren. Beliebt sind Veranstaltungen an
verlängerten Wochenenden und/oder an entlegenen Orten. Diese
"Verfolgungsbetreuung" der Arbeitsämter wird oft mit Trainingsmaßnahmen
kombiniert, die dem jeweiligen Arbeitslosen im Blick auf die vorhandene Qualifikation
nichts oder wenig bringen. Wenn PC-Spezialisten Textverarbeitung für Anfänger lernen
müssen, ist das wohl kaum etwas anders als eine Schikane-Maßnahme.
Angeblich sollen Mütter, die sich nach der Erziehungszeit
arbeitslos melden, wochenweise "Trainingskurse" erhalten. Das Arbeitsamt
spekuliert darauf, dass viele nicht täglich von ihrer Familie abwesend sein können und
folglich aus dem Arbeitslosengeldbezug fallen. Die Auslegung der (werktäglichen)
Erreichbarkeit (als vollständige Verfügbarkeit) ist insbesondere im Blick auf die
Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familien -
Art. VI GG - zu prüfen. Arbeitgeber sind oft
gezwungen und auch daran interessiert, auf familiäre Bedürfnisse berufstätiger Mütter
Rücksicht zu nehmen, wenn dies erst die Arbeitsaufnahme ermöglicht. Jeder realistisch
denkende Arbeitgeber muss Verständnis dafür haben, dass die Kinderbetreuung im
Zusammenhang mit den realen Erfordernissen der Berufstätigkeit organisiert wird. Deshalb
gibt es Betriebskindergärten, entsprechende Arbeitszeiterleichterungen et.
Auch im Fall von kinderbetreuenden Arbeitslosen ist es
notwendig, dass solche familiären Belange berücksichtigt werden, um vernünftige
Maßnahmen treffen zu können. Wer auf kurzfristige Unverfügbarkeit
spekuliert, verletzt diesen Grundsatz. Wenn ein Mutter am Samstag eine Einladung
hält für eine Maßnahme, die am darauffolgenden Montag morgens um 8.00 h beginnt,
besteht keine Chance, Schule und Kindergarten über die veränderten Situation rechtzeitig
zu informieren oder Maßnahmen zu ergreifen wie die Vereinbarung einer Betreuung durch
eine Tagesmutter. Wenn die Arbeitsämter für Kinderbetreuungskosten während einer
Maßnahme aufkommen, kann es andererseits nicht richtig sein, dass die Organisation
solcher Maßnahmen durch den Arbeitslosen durch schikanös kurze Einladungsfristen
vereitelt wird.
Es gibt in der Rechtsordnung ein übergreifendes
Schikaneverbot, das wie jede Verwaltungspraxis auch für die Rechtsausübung der
Arbeitsämter gelten muss. Wenn offensichtlich Maßnahmen nicht mehr der Jobvermittlung,
sondern der Verhängung einer Sperrzeit
dienen, sind sie rechtswidrig. Auch wenn die Nachweise im Einzelnen schwer zu führen sein
mögen, müssen solche rechtswidrigen Praktiken auch disziplinarische Folgen für die
Leiter oder Mitarbeiter des Arbeitsamtes haben.
Allerdings ist hier nicht nur die rechtliche
Auseinandersetzung mit solchen Praktiken gefragt, sondern die politische. Mit Gerhard
Schröders "Faulenzer"-Argument, um müde Männer (und Frauen) munter zu machen, ist es aber
nicht getan. Diese Art von Arbeitsvermittlung ist eine Etikettenschwindel, der
Sparmaßnahmen an der falschen Stelle kaschieren soll.
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