Aktuell: Am
01.09.2009 trat das Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) in Kraft. Zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs
hat das Bundesministerium der Justiz einige Ausführungen gemacht, die
deutlich machen, dass sich das bisher komplizierte System sehr stark verändert
hat. Ausgangspunkt war die Überlegung: Die Verfassung verlangt, im Fall
der Ehescheidung die gemeinschaftlich in der Ehe erworbenen
Vorsorgeanrechte zwischen den Eheleuten zu teilen, insbesondere also die
Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen
Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen
Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung und aus der privaten
Vorsorge. Hierzu bedarf es eines Ausgleichs, der zu einer gerechten
Teilhabe im Versorgungsfall führt, für die Praxis verständlich und
leicht handhabbar ist sowie die Versorgungsträger so wenig wie möglich
belastet. Das geltende Versorgungsausgleichsrecht wird diesen
Anforderungen aus folgenden Gründen nicht mehr gerecht: Der bei der
Scheidung durchgeführte Versorgungsausgleich verfehlt häufig die
gerechte Teilhabe, unter anderem deshalb, weil sich das geltende Recht auf
Prognosen stützen muss, die regelmäßig von den tatsächlichen Werten im
Versorgungsfall abweichen. Eine Korrektur dieser Fehler findet in der
Praxis nicht statt. Das Recht ist außerdem unübersichtlich geworden und
wird nur noch von wenigen Experten verstanden. Durch die zunehmende
Vielfalt der Sicherungssysteme, insbesondere wegen des Ausbaus der
betrieblichen und privaten Vorsorge, verschärfen sich diese beiden
Grundprobleme des geltenden Rechts noch.
1. Grundsatz der internen Teilung
Das bislang geltende Recht
verlangte eine Verrechnung aller in der Ehezeit erworbenen Anrechte aus
den unterschiedlichen Versorgungen und einen Ausgleich der Hälfte des
Wertunterschieds über die gesetzliche Rentenversicherung. Bei der
Umrechnung der verschiedenartigen Anrechte mithilfe der so genannten
Barwertverordnung entstanden allerdings Wertverzerrungen, weil die
Berechnung auf unsicheren Prognosen über die künftige Wertentwicklung
der Versorgungen beruhte. Dies führte zu ungerechten Teilungsergebnissen
und Transferverlusten zu Lasten der ausgleichsberechtigten Ehepartner,
also überwiegend der Frauen.
Künftig wird jedes in der Ehe
aufgebaute Versorgungsanrecht im jeweiligen Versorgungssystem zwischen den
Ehegatten hälftig geteilt. Jeder Ehegatte erhält dann sein eigenes
"Rentenkonto", also einen eigenen Anspruch gegen den jeweiligen
Versorgungsträger. Das ist der Grundsatz der "internen
Teilung". Er löst das fehlerbehaftete Prinzip der Verrechnung aller
Anrechte und des Einmalausgleichs über die gesetzliche Rentenversicherung
ab. Künftig können so auch die Anrechte aus der betrieblichen und
privaten Altersvorsorge schon bei der Scheidung vollständig geteilt
werden. Einbezogen werden künftig auch Kapitalleistungen der
betrieblichen Altersversorgung. Nachträgliche Ausgleichs-? und Abänderungsverfahren
werden weitgehend entbehrlich.
Beispiel: Der Ehemann hat in der
Ehezeit zum einen eine Rentenanwartschaft von 30 Entgeltpunkten in der
gesetzlichen Rentenversicherung erworben (entspricht derzeit 30 x 26,56
Euro = 796,80 Euro monatlich). Außerdem hat er in der Ehe eine
Anwartschaft aus einer betrieblichen Altersversorgung (Pensionskasse) mit
einem Kapitalwert von 30.000 Euro aufgebaut. Durch den
Versorgungsausgleich erhält die Ehefrau 15 Entgeltpunkte bei der
gesetzlichen Rentenversicherung; ferner gegenüber der Pensionskasse einen
Anspruch auf eine Betriebsrente im Wert von 15.000 Euro. Die
Anwartschaften des Ehemanns werden entsprechend gekürzt.
2. Ausnahmsweise externe Teilung
Abweichend vom Grundsatz der
internen Teilung kann ausnahmsweise eine "externe Teilung"
vorgenommen werden, wenn die ausgleichsberechtigte Person zustimmt. Außerdem
kann bei kleineren Versorgungen (zu übertragender Wert bis ca. 50 Euro
als monatlicher Rentenbetrag, für bestimmte Betriebsrenten gilt eine höhere
Wertgrenze) der Versorgungsträger einseitig die externe Teilung
verlangen.
Extern bedeutet dabei, dass die
Teilung nicht beim Versorgungsträger des ausgleichspflichtigen Ehegatten,
sondern extern erfolgt, indem dieser Versorgungsträger den
auszugleichenden Kapitalbetrag bei einem anderen Versorgungsträger
einzahlt. Die ausgleichsberechtigte Person kann entscheiden, ob durch
diese Zahlung eine für sie bereits bestehende Versorgung aufgestockt oder
eine neue Versorgung begründet werden soll.
Beispiel: Will der Arbeitgeber des
Ehemanns dessen Ehefrau abfinden, kann er mit ihrem Einverständnis das
ihr zustehende Versorgungskapital von 15.000 Euro aus der Pensionskasse
beispielsweise in eine Lebensversicherung (Riestervertrag) zu ihren
Gunsten zweckgebunden einzahlen. Auch hier wird die Anwartschaft des
Ehemanns dann entsprechend gekürzt.
3. Ausnahmsweise kein
Versorgungsausgleich
In bestimmten Fällen findet ein
Versorgungsausgleich nicht mehr statt: Geht es nur um einzelne geringe
Ausgleichswerte oder ergeben sich auf beiden Seiten bei gleichartigen
Anrechten ähnlich hohe Ausgleichswerte, soll das Familiengericht von der
Durchführung des Ausgleichs absehen. Die Wertgrenze für beide Fälle
liegt bei derzeit ca. 25 Euro als monatlicher Rentenbetrag.
Beispiel: Hat die Ehefrau kurz vor
der Scheidung begonnen, eine Riester-Rente anzusparen, und ist so während
der Ehe ein Deckungskapital von insgesamt 1.000 Euro entstanden, wird auf
die Übertragung der anteiligen 500 Euro verzichtet. Ein Ausgleich findet
auch dann nicht statt, wenn beide Eheleute bei gleichartigen Anrechten über
annähernd gleich hohe Versorgungen verfügen, also etwa, wenn der Ehemann
während der Ehe gesetzliche Rentenansprüche in Höhe von 540 Euro und
die Ehefrau gesetzliche Rentenansprüche in Höhe von monatlich 530 Euro
erworben hat. Denn hier geht es nur um einen Wertunterschied von 5 Euro
als monatlicher Rente. Nach bislang geltendem Recht musste ein
Versorgungsausgleich immer durchgeführt werden, selbst bei kleinen
Werten.
Auch bei einer kurzen
Ehezeit von bis zu drei Jahren (einschließlich des
Trennungsjahrs) findet ein Versorgungsausgleich nicht mehr statt, wenn
nicht einer der Ehegatten den Ausgleich ausdrücklich beantragt.
4. Mehr Spielraum für
Vereinbarungen
Künftig erhalten die Eheleute größere
Spielräume, Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich zu schließen
und so ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten nach ihren individuellen
Bedürfnissen zu regeln.
"Die Reform reagiert damit
auch auf die gewachsene Sensibilität der Bürger für ihre
Altersvorsorge. Wir bestärken sie darin, auch bei einer Scheidung
eigenverantwortlich ihre Vorsorgeplanung zu gestalten", unterstrich
Bundesjustizministerin Zypries.
Vereinbarungen können künftig leichter geschlossen werden.
Beispielsweise werden künftig Vereinbarungen über den
Versorgungsausgleich im Ehevertrag nicht mehr unwirksam, wenn innerhalb
eines Jahres nach Vertragsschluss die Scheidung eingereicht wird. Werden
Ausgleichsvereinbarungen im Rahmen der Scheidung geschlossen, entfällt
die bislang erforderliche Genehmigung durch das Familiengericht. Das
Familiengericht hat aber zum Schutz der Ehegatten zu überprüfen, ob die
Vereinbarung einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhält.
5. Mehr Klarheit und Verständlichkeit
Während das geltende Recht selbst
für Experten kaum noch nachvollziehbar war, erleichtert die Reform allen
Beteiligten - also den geschiedenen Eheleuten, deren Anwälten und den
Versorgungsträgern - den Zugang zum Recht: Die familienrechtlichen
Vorschriften, bisher auf vier komplizierte Gesetze verteilt, werden im
neuen Versorgungsausgleichsgesetz zusammengefasst. Die Vorschriften sind möglichst
knapp und gut verständlich formuliert.
6. Inkrafttreten und Übergangsregelung
Das Gesetz muss noch vom Bundespräsidenten
ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es kann dann zum 1.
September 2009 in Kraft treten, zeitgleich mit der Reform des
familiengerichtlichen Verfahrens, und für alle Scheidungen gelten, die ab
diesem Zeitpunkt beim Familiengericht eingeleitet werden. Bereits bei
Gericht anhängige Versorgungsausgleichssachen, die nicht mehr mit der
Scheidung verbunden sind, werden nach neuem Recht entschieden, wenn sie
nach dem 1. September 2009 weiter betrieben werden. Spätestens ab dem 1.
September 2010 wird das neue Recht für alle Versorgungsausgleichssachen
gelten, die in der ersten Instanz noch nicht entschieden sind. Damit ist
gewährleistet, dass alle Versorgungsausgleichssachen innerhalb eines
Jahres nach Inkrafttreten der Reform auf das neue Teilungssystem
umgestellt werden.
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